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Moskau hat gewonnen

■ Litauen fügt sich in sein Schicksal / Jetzt kommen Verhandlungen

Berlin (taz) - Nach der Aufregung der letzten Tage ist in Vilnius Ruhe eingekehrt. Die Sowjetarmee hält die wesentlichen Gebäude der unabhängigen KP besetzt, angeblich im Auftrag der Moskautreuen und um eine Zweckentfremdung zu verhindern. Landsbergis versucht nun, sein Gesicht zu wahren: am Mittwoch forderte er „zwischenstaatliche Verhandlungen“. Schon in der Nacht zum Mittwoch hatte sein Stellvertreter, Romualdas Ozolas, Gespräche mit der sowjetischen Militärführung begonnen. Er berichtete, die Militärs hätten zugesagt, die am Dienstag verhafteten Deserteure nicht zu bestrafen, und wertete das Gespräch als „gutes Zeichen für Verhandlungen“.

Moskau übte sich unterdessen in Dialektik. „Ich möchte sagen, daß es keine militärische Aktionen auf litauischem Gebiet gibt. Es gibt Truppen,... aber man hat die sowjetische Armee nicht eingesetzt“, sagte Verteidigungsminister Jasow. Litauen bleibe vorerst für Ausländer gesperrt, erklärte das Außenministerium. Außenminister Schewardnadse behauptete, Moskau wolle „einen normalen, zivilisierten Dialog“.

Daß Gerüchte verbreitet werden, gehört bei diesem Dialog dazu. Armeegeneral Warennikow meinte, die festgenommenen Deserteure seien in den Krankenhäusern von Sajudis als Spezialkämpfer ausgebildet worden. Ein anderer General redete von NATO-Schiffen, die vor der litauischen Küste aufgetaucht seien. Und ausgerechnet die Zeitung des sowjetischen Eisenbahnerverbandes 'Gudok‘ berichtete, zahlreiche Russen wollten jetzt Litauen verlassen.

Die Entspannung der Lage und die neue Linie Moskaus überrascht offensichtlich das Ausland. In einem Brief an Gorbatschow vom Dienstag merkte Lech Walesa, daß das sowjetische Handeln „in krassem Widerspruch zum Geist der seit Jahren von Ihnen geführten Politik steht“ (zur polnischen Haltung siehe S.8). Die USA zogen Stille vor. „Aufwieglerische Erklärungen“ wären nicht hilfreich, meinte Sprecher Fitzwater. Heute wolle er „sehr vorsichtig sein, damit das nicht passiert“.

Wie die wohl bald beginnenden Verhandlungen ausgehen könnten, deutete der stellvertretende Botschafter in Washington, Tschetwerikow, vor der Presse an. Moskau respektiere den Wunsch nach Selbstbestimmung, sagte er, aber ein Referendum sei notwendig. Er meinte, nur 40 Prozent der litauischen Bevölkerung hätten den klaren Wunsch geäußert, sofort unabhängig zu werden. Dies sein kein gangbarer Weg zur Unabhängigkeit.

D.J.

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