Moscheebesuch: Zu Gast bei Hardlinern
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) betet in der hochumstrittenen Al-Nur-Moschee in Neukölln. Ein Kuschelbesuch war es trotzdem nicht.
Ehrhart Körting kniet ganz vorn, in dunklem Anzug und Socken, auf den Ohren ein Kopfhörer, über den die Übersetzung einer Gastpredigt zu hören ist. Mehrere hundert Männer sind gekommen. Nach der Predigt geht Körting nach vorne. "Wir sind alle Geschwister in dieser Stadt", sagt er. Und: "Friede sei mit dir." Freundlicher Applaus.
Die Harmonie täuscht. Denn es ist eine heikle Mission, auf die sich Körting da begeben hat. Die Al-Nur-Moschee hat einen zweifelhaften Ruf, und dennoch hat der SPD-Innensenator die Neuköllner Moschee nun zum Freitagsgebet besucht. Sein Motto: Er redet mit allen Muslimen, auch mit denen an den Rändern, solange sie nicht zur Gewalt aufrufen. Sprechen schadet nicht.
Kuschelig sollte Körtings Besuch aber nicht bleiben. In einem Nebenraum sitzt Körting mit dem Imam und dem Vorsitzenden der Al-Nur-Moschee zusammen, Nasser El-Issa und Izzeldin Hamad. Auf einem Glastisch stehen Sesamkekse. Es gebe da so ein paar "Brüche" im Verständnis von den Grundrechten, sagt Körting den beiden. "Aber deshalb kann man trotzdem reden."
Die Geschichte der Al-Nur-Moschee ist schillernd. Jahrelang galt sie als Anlaufstelle auch gewaltbereiter Islamisten. Dem früheren Vorbeter Salem El-Rafei wurde von den Berliner Behörden 2005 die Wiedereinreise verweigert. "Wer die westliche Gesellschaft ablehnt und sie für des Teufels hält", sagte Körting damals, "der soll dieses Land verlassen." In den Jahren danach ist die Moschee laut Experten gemäßigter geworden. Aber wer nicht offen Hass predigt, predigt noch lange nicht Toleranz.
Einen der Prediger der Al-Nur-Moschee haben die Behörden besonders im Blick: Abdul Adhim Kamouss. Er ist ein Star der deutschen Salafistenszene. Die propagieren einen ultrafrommen, "wahren Islam", strikt orientiert an Koran und Sunna. Der Verfassungsschutz warnt in seinem Bericht vor dem "Gefährdungspotenzial" des Salafismus, die in seiner "radikalisierungsfördernden Wirkung" bestehe. Darunter wird ein aus Marokko stammender Prediger erwähnt - gemeint ist Kamouss. Dessen deutschsprachige Seminare werden vor allem von jungen Männern besucht. Just an diesem Wochenende ist wieder eines in der Al-Nur-Moschee, gleich nach Körtings Besuch begann es.
2009 hatte die Moschee gar einen Jamaikaner eingeladen, der die Todesstrafe für Homosexuelle propagiert; erst nach Protesten wurde der Vortrag abgesagt.
Der Innensenator drückt seine Sorgen im Gespräch mit den Al-Nur-Oberen so aus: Weil der Zulauf an jungen Menschen so groß sei, hätten sie eine "besondere Verantwortung". Ja, das wisse er, sagt Imam El-Issa und beteuert: Den Jugendlichen werde "ein Islam beigebracht, der auch andere Menschen respektiert".
Körting lässt nicht locker und zählt auf, was gar nicht gehe. Antisemitismus. Oder die Unterdrückung der Frau. Er habe aus der Al-Nur-Moschee einmal eine Broschüre in die Hände bekommen, in der das Schlagen von Frauen gerechtfertigt werde.
Imam El-Issa beschwichtigt: "Ob Jude, Muslim oder Atheist - es ist ein Mensch." Und das mit dem Schlagen sei ganz anders zu verstehen. Wenn die Frau nicht auf den Mann höre, könne der sie zunächst ermahnen, dann das Bett meiden und sie erst im dritten Schritt mit einem klitzekleinen Stöckchen hauen. Zur Demonstration hat er einen Kaffeeumrührer aus Plastik in der Hand. "Nur ganz leicht."
Zum Abschied gibt es Falafel.
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