Fahrradreparatur : Morgen um eins
Eigentlich wollte ich ein neues Fahrrad. Also ein neues gebrauchtes. Wie mein altes damals. „Haben Sie auch Gebrauchte?“, frage ich den neuen Fahrradhändler in der Wollankstraße, als ich neulich vorbeikomme. „Ja, ja, Gebrauchte“, sagt er und wird ganz eifrig. Aber dann sieht er mein Schrottfahrrad und erklärt, dass er dieses Fahrrad an meiner Stelle auf keinen Fall wegschmeißen würde. Solche unkaputtbaren Rahmen würden heutzutage gar nicht mehr hergestellt, sagt er in sehr gebrochenem Deutsch.
Ich überlege, ob er überhaupt weiß, worauf er sich da einlässt. „Aber das Tretlager ist kaputt“, gebe ich zu bedenken. Bisher haben mir alle Fahrradhändler attestiert, dass mein Tretlager irreparabel sei. „Mach ich neu“, sagt er. „Und die Bremsen“, sage ich. „Bremsen“, sagt er und nickt. „Und das Licht. Und der Lenker ist zu niedrig. Und einen neuen Sattel brauch ich auch.“ Ich zeige auf das aufgeplatzte Polster, aus dem die Gelfüllung herausquillt wie überdimensionale Popel. „Licht, Lenker, Sattel“, rekapituliert er. Er hat einen Zettel geholt, auf dem er alles notiert. „Felgen mach ich auch“, fügt er hinzu. „Nee, wieso denn die Felgen?“, wehre ich ab. Schließlich sind die Felgen so ziemlich das Einzige am dem Rad, was funktioniert.
„Kann ich bitte einen Kostenvoranschlag haben“, sage ich. Der Fahrradhändler nickt und schreibt eine Zahl auf einen Zettel. Das Ergebnis sieht aus, als hätte er das noch nicht oft gemacht. Bestimmt kommt er aus einem Land, wo es keine lateinischen Zahlen gibt. Auch das Euro-Zeichen ist etwas verunglückt. Aber die Summe ist angemessen. „Morgen um eins“, sagt er. Ich nicke und gehe nach Hause.
Am nächsten Tag hat er es tatsächlich geschafft! Ich könnte weinen vor Glück. „Die Felgen auch gemacht“, sagt er stolz. Ich sehe mir die Räder an. „Wo denn?“, frage ich. „Hier.“ – „Ach, die Achse!“ rufe ich. „Ja, die Achse“, sagt er und nickt glücklich.
LEA STREISAND