Mordfall Marwa E. in Dresden: Tote Ägypterin im Netz betrauert
Die Reaktionen der Muslime in Deutschland auf den Mordfall Marwa E. seien sehr unterschiedlich, sagt der Dresdener Integrationshelfer Nabil Yacoub.
BERLIN taz | Die deutsche Bundesregierung hat der Familie von Marwa E. und der ägyptischen Regierung ihr Beileid ausgedrückt. Die junge Ägypterin war vor eineinhalb Wochen in einem Dresdener Gerichtssaal mit achtzehn Messerstichen getötet und ihr Ehemann schwer verletzt worden.
Marwa E. hatte zuvor in einer Verhandlung wegen Beleidigung gegen den russlanddeutschen Täter ausgesagt. Das Motiv der Tötung war nach Überzeugung der Ermittler Ausländerhass.
Kanzlerin Merkel habe bei einem Treffen mit Ägyptens Präsident Mubarak am Donnerstag ihre "Empörung" über die Tat ausgedrückt, teilte der Regierungssprecher am Freitag mit. Deutschland unternehme alles, um solche Verbrechen zu verhindern, schrieb Steinmeier an seinen ägyptischen Amtskollegen Ali Abul-Gheit. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer besuchte den Ehemann der Verstorbenen im Krankenhaus.
Im Internet wird vielerorts über den Tod von Marwa E. geschrieben - mit sehr unterschiedlichem Zungenschlag. Allein im sozialen Netzwerk Facebook gibt es mittlerweile 28 Profile oder Gruppen mit dem Namen der Toten und dem Foto ihrer Familie. Vorwiegend werden Trauer und Fassungslosigkeit ausgedrückt. Die Botschaft, die Ägypterin sei wegen ihres Kopftuchs ermordet worden, kommt in vielen Profilen vor. Von manchen wird sie als "Märtyrerin" bezeichnet. Ein Facebook-Nutzer erklärt, er wolle damit ausdrücken, dass Marwa E. auf jeden Fall in den Himmel komme und von Gott belohnt werde, weil sie sich durch die Anzeige von Alex W. für Gerechtigkeit gegenüber Muslimen eingesetzt habe.
Auf YouTube wird in einem Video mit dem Titel "Im Gedenken an Marwa" die Lebensgeschichte der jungen Frau sehr detailliert erzählt. Ein anderer Beitrag endet mit der Aussage: "Das Blut unserer geliebten Schwester Marwa wird nicht umsonst geflossen sein." Auf muslimegegenrechts.de, einer Internetseite des salafistischen Predigers Pierre Vogel, wird vor einem erneuten Holocaust in Deutschland gewarnt.
Die Reaktionen von Muslimen im Internet seien sehr unterschiedlich, sagte Nabil Yacoub, der ehemalige Leiter des Dresdener Ausländerrats. "Manche in den Diskussionsforen verurteilen Deutschland pauschal, aber es gibt auch sehr differenzierte Meinungen."
Viele Muslime würden den Mordfall in Dresden als eine Bestätigung der Erfahrungen deuten, "die sie im Kleinen jeden Tag machen", meinte Peter Heine, Islamwissenschaftler an der Humboldt-Universität in Berlin.
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