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Mordanklage ohne Mord

■ Haftbefehl wegen Mordes in Bad Kleinen gegen Birgit Hogefeld

Berlin (taz) — Die Ende Juni vergangenen Jahres in Bad Kleinen festgenommene Birgit Hogefeld soll auch wegen Mordes an dem GSG-9-Beamten Michael Newrzella angeklagt werden. Ein in diesem Sinne erweiterter Haftbefehl gegen das frühere RAF- Mitglied wird nach Angaben ihrer Frankfurter Anwälte Seifert und Fresenius heute eröffnet. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe kommt damit einem entsprechenden Antrag der Bundesanwaltschaft vom November 1993 nach.

Newrzella war im Verlauf der mißglückten Festnahmeaktion auf dem Bahnsteig von Bad Kleinen vermutlich von Wolfgang Grams erschossen worden, der anschließend unter nach wie vor ungeklärten Umständen starb. Schon bevor der erste Schuß fiel, hatten andere Beamte Hogefeld in der Unterführung überwältigt, ohne daß sie ihre Waffe zog. Dennoch soll sie sich nach dem Willen der Bundesanwaltschaft wegen Mordes und sechsfachen Mordversuchs an an dem Einsatz beteiligten Beamten verantworten. Die Anklagebehörde begründet ihr Vorgehen mit einer Bestimmung des Strafgesetzbuchs, wonach „jeder als Täter bestraft“ wird, wenn „mehrere die Straftat gemeinschaftlich“ begehen. Die schon in früheren RAF- Verfahren angewandte Anklagekonstruktion geht davon aus, daß es innerhalb der RAF feste Absprachen gibt, sich in Festnahmesituationen den Weg freizuschießen. Ob es eine solche Absprache in der RAF auch nach der sogenannten Deeskalationserklärung vom April 1992 gab, ist allerdings unklar. Immerhin habe Hogefeld ihre Waffe „schußbereit“ getragen, hieß es dazu in Karlsruhe.

Birgit Hogefelds Anwälte berichten in einer gestern veröffentlichten Erklärung von „zeitlich abgestimmten“ Kontaktversuchen des Kölner Verfassungsschutzbeamten „Hans Benz“. Benz, der seit vielen Jahren für das sogenannte „RAF-Aussteigerprogramm“ des Kölner Amtes eingesetzt wird, habe der Verteidigung übermittelt, es sei möglich, „die Mordanklage Bad Kleinen zu kippen“. Voraussetzung sei die „Kooperation“ Hogefelds. Nach Informationen der taz will Benz — unter anderem bei der Inhaftierten — ergründen, ob es in der RAF allgemein verbindliche Absprachen über das Verhalten in Festnahmesituationen noch gibt. gero

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