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„Monströses US-Urteil“ legalisiert Kidnapping

Washington/Mexiko-Stadt (ap) — Mit Empörung und Gegenmaßnahmen hat die Regierung Mexikos am späten Montag abend auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten reagiert, mit dem die Entführung eines Mexikaners in die USA sanktioniert wurde. Die mexikanische Regierung untersagte jede weitere Tätigkeit von Agenten der US-Bundesbehörde DEA, die für die Bekämpfung des Rauschgifthandels zuständig ist, auf ihrem Territorium. Das Auslieferungsabkommen mit den USA soll revidiert werden.

Beobachter in Washington wiesen darauf hin, daß es schon zuvor Entführungen in staatlichem Auftrag gegeben habe. Die Unrechtmäßigkeit solcher Handlungen sei im Zweifelsfall kein Hinderungsgrund gewesen. Im Justizministerium wurde zu verstehen gegeben, wichtig sei jeweils der Grundsatz, daß es sich wirklich um das letzte Mittel handele. Weiter hieß es, das Urteil des Supreme Court werde nun nicht einfach als Freibrief betrachtet. Ein hoher Beamter erläuterte: „Einseitige Handlungen dieser Art können die Zusammenarbeit mit anderen Ländern bei der Verbrechensbekämpfung scheitern lassen. Es liegt in unserem langfristigen Interesse, dem internationalen Recht Geltung zu verschaffen.“ Nach Ansicht von Beobachtern könnte das Urteil allerdings besondere Bedeutung im Fall der beiden Libyer gewinnen, deren Auslieferung die USA und Großbritannien fordern, weil sie diese angeblichen Geheimdienstagenten für das Flugzeugattentat von Lockerbie — bei dem 270 Menschen umkamen — verantwortlich machen. Es wurde darauf verwiesen, daß die amerikanische Regierung, die zu Libyen keinerlei offizielle Beziehungen unterhält, in diesem Fall kaum politische Rücksichten zu nehmen brauche.

Der Oberste Gerichtshof der USA hatte am Montag im Fall eines mexikanischen Arztes entschieden, daß die amerikanische Regierung im Ausland befindliche Personen gegen den Willen der dortigen Regierung zum Zweck der strafrechtlichen Verfolgung in die Vereinigten Staaten entführen darf. Mit einer Mehrheit von sechs zu drei Stimmen erklärten die Richter in Washington, daß dies nicht gegen das bestehende Auslieferungsabkommen zwischen Mexiko und den USA verstoße. Sie könnten die Rückführung des Arztes nach Mexiko deshalb nicht anordnen.

Der mexikanische Arzt Humberto Alvarez-Machain war 1990 aus seinem Büro in Guadalajara in Mexiko entführt und mit einem Flugzeug nach Texas gebracht worden. Er wird beschuldigt, an der Folter und Ermordung eines Agenten der amerikanischen Drogenbehörde DEA beteiligt gewesen zu sein. Alvarez- Machain, der in Kalifornien inhaftiert ist, beteuert seine Unschuld.

In der Urteilsbegründung schrieb der Oberste Richter William Rehnquist, die Entführung könne zwar schockierend genannt werden und verletze internationale Rechtsgrundsätze, doch liege es ausschließlich in der Verfügungsgewalt der US-Regierung, eine Rückführung des Angeklagten anzuordnen. Zuvor hatte ein Landesgericht in Los Angeles verfügt, daß Alvarez nach Mexiko zurückgebracht werden müsse. Nach Auffassung der drei Obersten Richter, die am Montag gegen die Entscheidung stimmten, „werden die meisten Gerichte überall in der zivilisierten Welt über diese monströse Entscheidung beunruhigt sein“.

Kommentar Seite 12

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