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„Monrovia ist wie Bihac“

■ Vier Liberianer sind von Abschiebung ins Bürgerkriegsgebiet bedroht / Die Flüchtlingsinitiative Schildstraße fordert eine Duldung: „Selbst die liberianische Botschaft stellt keine Pässe aus“

Die Flüchtlingsinitiative Schildstraße schlägt Alarm. Ab Februar stehe mindestens vier abgelehnten Asylbewerbern die Abschiebung aus Bremen nach Liberia bevor, obwohl dort immer noch Bürgerkrieg herrscht. „Die Liberianer, die wir betreuen, sind verzweifelt“, sagt Initiativensprecherin Michaela von Freyhold. Und: „Wer nach Monrovia abschiebt, könnte ebensogut nach Bihac abschieben“.

Das Bremer Verwaltungsgericht beurteilt die Lage in Liberia dagegen anders. In einer Entscheidung vom November wies es den Widerspruch des betroffenen Anthony G. zurück. Der hatte gehofft, über den Rechtsweg doch noch als Asylbewerber anerkannt zu werden. Vergeblich: „Eine unmittelbare Gefährdung ist nicht mehr gegeben“, hieß es im Urteil. Dem Liberianer steht nun bevor, zwangsweise nach Monrovia ausgeflogen zu werden. Denn die Hauptstadt und die Küstenregion um die Hafenstadt Buchanan seien sicher, so das Gericht. Das beruft sich dabei auf Angaben des Auswärtigen Amtes, die bereits über ein Jahr alt sind. Darin heißt es, daß die neue Zentralregierung und die Westafrikanischen Friedenstruppen sowohl Hauptstadt als auch umliegende Küstengebiete kontrollierten.

Der Bremer Liberia-Experte Robert Kappel widerspricht der Ansicht des Auswärtigen Amtes energisch. Das habe er auch Ende November vor dem Bremer Verwaltungsgericht deutlich gesagt, wo er als Experte angehört wurde: „Die Lage in Monrovia ist nach wie vor extrem gefährlich. Von Stunde zu Stunde kann sie kippen.“ Bewaffnete in der Stadt, darunter viele Jugendliche und Banden, sind nach Ansicht Kappels ein unkalkulierbares Risiko. Daran ändere auch die Vereinbarung über einen Waffenstillstand nichts, der am 15. Dezember, also zwei Wochen nach seiner Anhörung, zwischen den Bürgerkriegsparteien geschlossen wurde.

Der Experte, Dozent an der Universität und Herausgeber zahlreicher Bücher über Liberia, beruft sich dabei auf Einschätzungen internationaler Organisationen. „Alle Zeichen stehen in Monrovia wieder auf Sturm, weshalb zahlreiche ausländische Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen ihre ausländischen Mitarbeiter teilweise aus Monrovia abgezogen haben.“ Die Lage könnte völlig eskalieren, wenn die Westafrikanischen Friedenstruppen aus Monrovia abgezogen würden, womit internationale Beobachter in Kürze rechnen.

Die Flüchtlingsinitiative Schildstraße fordert für liberianische Flüchtlinge wegen der Lage in ihrem Heimatland deshalb eine Duldung, so Michaela von Freyhold. Wenn hier keine politische Lösung gefunden würde, drohe vielen Flüchtlingen nicht nur die Abschiebung, sondern auch eine längere Abschiebehaft. Denn viele von ihnen besitzen schon lange keinen gültigen Paß mehr – und ein neuer sei schwer zu bekommen. „Wir haben von einem Flüchtling gehört, daß die liberianische Botschaft ihm keinen Paß ausstellen wollte.“ Für die Flüchtlingsinitiative heißt das, daß selbst die staatlichen Stellen Liberias die Rückkehr ihrer BürgerInnen in den Bürgerkrieg verhindern wollen. Wenn die Botschaft die Ausgabe von Pässen aus humanitären Erwägungen hinauszögere, bliebe den Betroffenen jedoch nur Untertauchen oder die Abschiebehaft. Die Sprecherin der Innenbehörde, Merve Pagenhardt, bestätigte dagegen noch am Freitag, daß eine Duldung oder ein Abschiebestopp für Liberianer „nicht im Gespräch“ sei. ede

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