: Mona Lisa am Bass
■ Bassist Ray Brown spielte mit seinem Trio im KITO / Frisch trotz Rentenalters
Es gibt nicht mehr viele von den alten Meistern des Jazz, und auch wenn sich viele der jungen „rising stars“ sehr bemühen, so zu klingen wie Dizzy Gillespie oder Art Blakey, macht dies nur um so deutlicher, wie groß und unwiederbringlich die Verluste sind. Um so schöner ist es, wenn man einen von diesen Veteranen so vital und inspiriert auf der Bühne erlebt wie etwa Betty Carter vor einigen Monaten im „Moments“ oder Ray Brown am Samstag abend im KITO. Seinen siebzigsten Geburtstag feiert der Bassist, der seit den späten 60er Jahren fast nur noch als Studiomusiker in Los Angeles arbeitet, mit einer großen Tour, und dies war einer seiner wenigen Clubauftritte in Europa.
Für die besten unter den jungen amerikanische Jazzmusikern bestehen die Lehr- und Wanderjahre aus solchen Konzertreisen, und auch Brown stellte dem Publikum mit dem Pianisten Benny Greene und dem Schlagzeuger Greg Hutchinson zwei hochtalentierte Youngsters vor. Sehr melodisch und unangestrengt spielten die drei einen swingenden Jazz, der an die lange Zusammenarbeit von Brown mit Oscar Peterson erinnerte. Joachim E. Berendt schrieb einmal, Brown war in diesem Trio „beachtenswerter und wegweisender“ als Peterson selbst. Auch hier war natürlich nicht das Piano sondern der Baß das führende Instrument und das nicht nur, weil er etwas lauter ausgesteuert wurde als in einem konventionellen Jazztrio. Bei „Mona Lisa“ von Nat King Cole zupfte Brown das gesamte Thema auf seinem Instrument, und ein langes Ellington-Medley spielte er als unbegleitetes Solo. Sein sanfter, eleganter Ton bestimmte immer die Atmosphäre, und seiner ruhigen Autorität vertrauten das Publikum und seine Mitspieler schon nach den ersten Takten.
Brown machte um seine Virtuosität nicht vielAufhebens. Ganz bescheiden kündigte er etwa ein „kleines Baßsolo“ an und spielte dann mit einer solchen technischen Finesse zugleich Rhythmus, Melodie und die Harmonien des Stückes, daß man genau hinsehen mußte, um zu glauben, daß er alleine ohne elektronische Tricks so komplex klingen konnte. Und Brown sah sich offensichtlich als Mentor seiner beiden Mitspieler. Er schien sie manchmal regelrecht zu ihren Soli anzustacheln; lockte mit kleinen Gesten für sie so viel Applaus wie nur möglich aus dem Publikum heraus und lehnte sich zufrieden an seinen Baß, wenn die beiden versuchten, ihm die Show zu stehlen. Denn Benny Green mit seinen lyrisch-romantischen Pianoläufen und der sehr sparsam und präzise spielende Hutchingson waren weit mehr als nur gehorsame Meisterschüler. Beide haben an ihren Instrumenten schon einen ganz persönlichen Ton, und Hutchingsons Solo, daß er nur mit den Besen spielte, gehörte zu den Höhepunkten des Konzerts. Das Trio spielte durchweg Standards, die Jazzkenner schon hundertmal gehört haben: Songs wie „Some Day my Prince will Come“, Henry Mancinis „Days of Wine and Roses“ und sogar eine Schnulze wie „Dein ist mein ganzes Herz“. Aber an diesem Abend klang nichts verstaubt oder abgenutzt, denn Ray Brown weiß, daß Songs beim Jazz durch die Interpretation frisch bleiben. Und wie jung ein Musiker klingt, hat nur wenig mit seinem Alter zu tun.
Willy Taub
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