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Momper übernimmt das Kommando

■ Erste gemeinsame Sitzung der beiden Stadtregierungen / Momper kritisiert DDR-Regierung / Gemeinsame Planung und Verwaltung Berlins noch vor der Vereinigung / Magistrat und Senat wollen sich alle 14 Tage treffen / „Wehmütiger Abschied vom Rathaus Schöneberg“

Berlin. Obwohl das Wort schon längst auf den Index gehört, sprachen die beiden sozialdemokratischen Bürgermeister Tino Schwierzina und Walter Momper gestern im Roten Rathaus schon wieder von einer „historischen“ Stunde. Anlaß war die erste gemeinsame Sitzung von Magistrat und Senat seit 42 Jahren. Beide Stadtregierungen - die eine rot-grün, die andere rot -schwarz - wollen ab jetzt alle zwei Wochen miteinander tagen und schon vor einer endgültigen Wiedervereinigung Berlins „eine gemeinsame Politik, Planung und Verwaltung“ ermöglichen.

Zu ebendiesem Zweck werden seit dem vergangenen Wochenende Hunderte von Ost-Verwaltungsangestellten in Crash-Kursen auf West-Niveau gebracht. Gleichzeitig haben die West -SenatorInnen Beamte abgestellt und ins Rote Rathaus geschickt, um dort Amtshilfe zu leisten. Diese Tatsache führte im Rathaus Schöneberg zunächst zu einer deutlichen Verstimmung der Alternativen Liste. Gestern beschlossen Senat und Magistrat deshalb, daß West-Mitarbeiter, die im Osten tätig sind, nicht „den Weisungen der entsendenden Stelle unterliegen“, umgekehrt gilt das natürlich auch. Auf ihren Sitzungen wollen Magistrat und Senat gemeinsam beraten, aber getrennt abstimmen.

An der Frage, wer der Chef dieser in ihrer politischen Zusammensetzung pikanten „Gesamtberliner Regierung“ ist, ließ Walter Momper gestern keinen Zweifel. Während Schwierzina artig nickte, erhob „König Momper“ lautstark Forderungen an Bonn und Ost-Berlin. Bonn solle sich „keine Illusionen machen“, daß die Finanzierung der Einheit Berlins nur zu Lasten des Westberliner Haushalts gehen könne. „Ein Unding“ nannte er die Tatsache, daß der Magistrat 14 Tage vor dem 1.7.1990 noch immer nicht wisse, wieviel Geld die DDR-Regierung der Halbstadt im Juli an Finanzzuwendungen anweisen wolle. Da schließlich 70 Prozent des Ostberliner Haushalts aus dem DDR-Finanztopf komme, müßten diese Informationen „heute oder morgen“ bekanntgegeben werden. Die Überlegung der Innenminister Schäuble und Diestel, an den alten innerdeutschen Grenzübergängen künftig noch Visa -Kontrollen bei Ausländern durchzuführen, sei „weltfremd und bürokratisch“. „Günstigstenfalls ist das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Grenzer.“ Statt dessen sollten die Kontrollen an den deutschen Außengrenzen stattfinden. Der Senat setzt sich schon seit längerem für eine „Einreiseunion“ von Berlin, der DDR und dem Bund ein. Auch Verteidigungsminister Eppelmann bekam sein Fett weg: „Eine Beleidigung“ sei es, wenn Eppelmann verlange, daß der Abriß der Berliner Hinterlandmauer von Ost-Berlin gezahlt werden solle. Auch der Zeitplan gefällt Momper nicht: Der Betonwall Berlin müsse sofort verschwinden und nicht erst 1991, wie es der Eppelmann-Plan vorsieht.

Der neue Magistrat will sich nun auch intensiver mit seinem Vorgänger auseinandersetzen. Alle Entscheidungen der Regierung Hartenhauer sollen im Juni noch einmal überprüft werden. Damit, so Schwierzina, soll „Licht in das Dunkel der früheren Magistratspolitik“ gebracht werden. Momper wies darauf hin, daß die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Berlin nach der Währungsunion vermutlich größer sein würden „als woanders“.

Da in der Berliner „Gesamtregierung“ neben der SPD auch die AL und die CDU mit Stadträten beziehungsweise Senatorinnen vertreten sind, sollen die jeweiligen Koalitionspartner der Sozialdemokraten mit „Respekt und Rücksichtnahme“ behandelt werden. Schon jetzt beginne, so Momper, der „wehmütige Abschied vom Rathaus Schöneberg“, denn der Sitz der künftigen Groß-Berliner Regierung soll wieder im Roten Rathaus am Alexanderplatz liegen.

ccm

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