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Archiv-Artikel

theater Momentaufnahme aus dem deutschen Wohnzimmer

Wer wohnt zusammen, wenn die Wände weg sind? Die Gruppe „theatercentral“ gewährt Einblick: In ihrem „Wohnhaus Hoffnung“ leben vier Parteien, die Trennwände sind nur durch offene Rahmen angedeutet. Die wenigen Bühnenrequisiten im Kulturbunker Mülheim lassen viel Raum für Fantasie. Wir beobachten Menschen beim Wohnen und sehen Stereotypes: Den Marotten-Single, der Einkaufslisten penibel in den Laptop stanzt. Die blonde Studentin, die auf den vernaschenden Professor wartet. Und natürlich das angeödete Ehepaar mittleren Alters, das in Loriotscher Lakonie Plattitüden vor dem Fernseher austauscht.

Trotz offener Wände wird klar: Der Wohnraum – das ist die Zelle, in die wir unser Leben einsperren, zugleich ist er Freiraum für unsere Obsessionen. Das kann erschütternd oder seltsam aussehen: Eine Frau bestellt routinemäßig Schauspieler in die Wohnung, damit sie ihre verstorbenen Kinder nachspielen, der Single ejakuliert nach festem Ritual auf den Fernsehbildschirm.

Das Stück von Azadeh Fakhran und Jenny Gand erhebt nicht den Anspruch, mehr zu sein als eine Momentaufnahme aus der Welt der Wohnungen, in die wir uns einpassen – samt unserer Langeweile und Sprachlosigkeit, den Erstarrungsängsten und verzweifelten Fantasien über einen Neubeginn. Grundsätzlich ein sehr gutes Konzept, doch diese Momentaufnahme dauert einen Moment zu lang. Stereotypendarstellung trägt ein Stück nur über eine gewisse Strecke. Nach der Pause kommt nichts mehr dazu außer Dingen, die vom Weg abführen: Plötzlich steht DDR-Geschichte auf dem Stundenplan, wandelt sich schöne Sprache in Thesenrhetorik, kippt zarte Melancholie in bedeutungstriefende Betroffenheit.

Nur Lob dagegen fürs Formale: Trotz mancher Qualitätsunterschiede bei den SchauspielerInnen überzeugt das Stück durch seine saubere Inszenierung, die originelle Figurenzeichnung sowie durch den punktgenauen Einsatz sehr guter Musik (Vandad Mohammadi). Alles in allem keine ganz leichte Kost, dafür aber ein Appell, menschliche Mauern einzureißen. Holger Möhlmann

„Wohnhaus Hoffnung“, Kulturbunker Mülheim, Berliner Str. 20, Tel. 61 69 26, am 13.5. und 16.5. um 20 Uhr, am 15.5. um 15 und 20 Uhr