Mönchengladbach in der Bundesliga: Die schwerste Saison
Champions-League-Teilnehmer Mönchengladbach will in Bremen die rote Laterne wieder loswerden. Vor allem geht es gegen die Selbstzweifel.
„Wir haben uns nicht vorgestellt, mit null Punkten zu starten“, räumte Sportdirektor Max Eberl ein – ehe die Borussia am frühen Donnerstagabend schon wieder Schlusslicht war. Diesmal bei der Gruppenauslosung für die Champions League. Da wurde Gladbach als allerletzter der 32 Klubs aus der Lostrommel gefischt, bekamen dafür aber ein astreines Menü serviert.
Mit der Partie bei Europa-League-Sieger Sevilla geht die internationale Traumreise am 15. September los, als weitere Kontrahenten warten das Geldmonster Manchester City und Juventus Turin, Königsklassenfinalist vom Juni. „Das sind große Aufgaben – aber wir freuen uns darauf, uns mit den Besten messen zu dürfen“, kommentierte Eberl Gladbachs internationales Vollwaschprogramm nach 37 Jahren Meisterklassen-Abstinenz. Und nun geht es darum, die Balance zwischen Pflicht und Kür zu finden.
Tony Jantschke erwähnte vor dem Sonntagsspiel in Bremen sicherheitshalber mal, worauf der Fokus in den nächsten Wochen und Monate zu liegen habe. „Unser Problem ist momentan der Saisonstart, die Liga ist unser Tagesgeschäft. Ich weiß nicht, ob das einige vergessen haben. Innerhalb der Mannschaft haben wir es auf jeden Fall immer wieder angesprochen“, deutete der Verteidiger emotionale Gewichtungsprobleme bei dem einen oder anderen der Kollegen an. Wobei nicht auszuschließen ist, dass der Klub die Verwirrung selbst mit entfacht hat.
„Auf, auf, auf in die Champions League“
Ließen die Gladbacher doch zuletzt keine Gelegenheit aus, die eigene Rückkehr ins europäische Establishment zu zelebrieren. In der Woche nach der 0:4-Klatsche in Dortmund zum Ligaauftakt startete in den Kinos der Dokumentarfilm „Die Elf vom Niederrhein“, in dem der wundersame Aufstieg der Gladbacher vom Fastabstieg im Mai 2011 bis hin zum Eintritt in die Champions League vier Jahre später nachgezeichnet wird.
Am Borussia-Park hängen riesige Plakate mit dem Aufdruck: „Auf, auf, auf in die Champions League“. Und selbst die Gruppenauslosung am Donnerstag wurde hochgejazzt zum Event, zu dem – Tombola und Erstverkauf der neuen Champions-League-Trikots inklusive – immerhin 500 Fans zur Liveübertragung ins Stadion pilgerten.
Damit das Tamtam nicht als Peinlichkeit endet, soll in Bremen nun der richtige sportliche Kurs eingeschlagen werden. Beim jüngsten 1:2 zu Hause gegen Mainz funktionierte eine Zeitlang zumindest das Gladbacher Angriffspiel wieder – abgesehen davon, dass Akteure wie Thorgan Hazard oder Raffael das Tor nicht fanden.
Sechs Gegentore in zwei Spielen
Echtes Kopfzerbrechen bereiten den Verantwortlichen nach dem schlechtesten Saisonstart seit sieben Jahren jedoch die Nachlässigkeiten in der Defensive, im glorreichen letzten Jahr noch das Prunkstück der Borussia. „Die sechs Gegentore in zwei Spielen ärgern uns, das müssen wir abstellen“, fordert Sportchef Eberl. Und Cheftrainer Lucien Favre betont: „Wir müssen richtig viel arbeiten. Die Spieler müssen bereit sein zu leiden.“
Die umwerfende Leichtigkeit der vergangenen Saison wird nicht per Knopfdruck zum Rautenklub zurückkehren. Dafür ist am Weserstrand mit Martin Stranzl ein wichtiger Stabilisator wohl wieder mit an Bord. Der 35-jährige Abwehrchef fehlte bislang aufgrund von Kniebeschwerden, nun soll der Österreicher zumindest im Kader stehen. Noch entscheidender aber wird sein, ob Favre in seinem Ensemble rasch den passenden Partner für Granit Xhaka im defensiven Mittelfeld ortet.
Im Zusammenspiel zwischen dem Schweizer und dem offensiver orientierten Neuzugang Lars Stindl haperte es nach dem Abgang von Marathon-Mann Christoph Kramer zu Bayer Leverkusen bislang mächtig. In Bremen könnte deshalb nun die Stunde des zähen Norwegers Havard Nordtveit schlagen. Unabhängig davon beschleicht den 22-jährigen Xhaka aber schon jetzt das Gefühl: „Ich glaube, das wird die schwerste Saison, seit ich bei Borussia bin.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern