■ Kommentar: Mobilität im Kopf
Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) kann sich freuen: Ein Lob für ihn aus den Reihen der Fahrradlobby (wie das für die Freigabe der Avus) ist schließlich selten. Und das mit gutem Grund. Denn das Lob zeigt nur, daß der Fahrradverkehr sonst aufs Abstellgleis geschoben wird. Schließlich ist es für die Verkehrsverwaltung kein Problem, die Avus für das Gedröhn der PS-Protze beim Avus-Rennen freizugeben.
Klemann hat versprochen, den Anteil des Rades am Verkehrsaufkommen bis 2000 zu verdoppeln. Hurra! Aber wie? Den großen Worten läßt Klemann keine Taten folgen – im Gegenteil. Direkt beim gestrigen bunten Treiben am Brandenburger Tor verläuft die Wilhelmstraße. Hier sollte ursprünglich als Teil einer schnellen Nord-Süd-Verbindung ein Fahrradstreifen markiert werden. Die Pläne sind fertig, doch die Verkehrsverwaltung machte einen Rückzieher. Ihr Argument: Obwohl die Straße nicht breit genug für jeweils zwei Autofahrstreifen ist, wolle man dort Platz für die Autos erhalten.
Genau das ist das Problem der Verkehrsverwaltung beim Thema Radfahren: Als Luxus, als Ergänzung zum „wirklichen“ Verkehr, kann man sich das Rad vorstellen. Als wichtigen, schnellen und umweltfreundlichen Verkehrsträger allerdings nicht. Solange sich dieses Denken nicht ändert, bleiben alle Versprechen zur Förderung des Fahrradverkehrs Versprecher. Denn Mobilität beginnt im Kopf und nicht auf der Straße. Das aber haben die Betonköpfe in der Verkehrsverwaltung noch nicht begriffen. Bernhard Pötter
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