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■ RadiodaysMittwoch

„Junge Leute ranholen und Experimente zulassen“, so lautet das griffige Lippenbekenntnis vieler Programmleute. Leider geht das schöne Schema oft baden. Dann verstopft die „Quotenjugend“ den Kanal, und nervig spreizt sich der „Nummer Sicher“- Versuch. Ganz anders ist das mit Marilyns Lichtjahre, einem Hörspiel des Jungherren-Doppels Jacques Peters und Christoph van de Loos. Die beiden brechen gleich mehrere Tabus und Hörerwartungen. Sie überrumpeln nicht nur effektvoll, sondern verbinden formale Saltos mit einer wirklich sinnvollen Geschichte. Tabu Nummer 1 ist die Situation des Helden Bart, der in trübseliger Stimmung einen Trauermarsch aussucht. Erwischt hat es die kleine Schwester Lenchen (ein „Mongolchen“, wie er sagt). Während der große Bruder nun stilvoll Abschied nehmen will – „Ach, ich haaabe sie verlohoren“ tönt die sonore Ouvertüre von „Orpheus und Euridike“ – bricht Tabu Nummer 2 die getragene Stimmung. Auftritt: Marilyn Monroe, der Megamythos und Lenchens Idol. Was bringt die Ikone unserem „Helden“, jetzt, wo sie die Trauerarbeit eher stört? Hellwache Neugierde, wie sich der blonde Engel wohl verändert hat. Nicht allzusehr, erfahren wir. Doch ist sie schwerelos, thematisch jedenfalls, was witzige Sprünge und heftige Schnitte der Story rechtfertigt. Zwar führt sie den schwermütigen Orpheus in die Zwischenwelt, wo er sein Lenchen in Form des Prinzips „Mut zum Anderssein“ wiederfindet, doch nie ist der Wäschekorb zu hoch gehängt – gern seufzt sie „underwear“ oder raunt dem Burschen prickelnd was von „Lippenstift“ und „blond“ ins Ohr. Choreographisch geschickt verbindet Jörg Jannings Regie den amüsanten Geisterflirt mit dem Nachdenken über einen Abschied. DeutschlandRadio-Berlin, 20 Uhr. GeHa

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