: Mittler zwischen den Musikwelten
■ Gesichter der Großstadt: Den britischen Bassisten Colin Bass kennen in Berlin nur wenige. Dafür ist sein umtriebiges Alter ego, der Musikmoderator von Multikulti, Sabah Habas Mustapha, um so bekannter.
Colin Bass ist einer der wenigen Musiker von internationalem Rang in der Stadt. Trotzdem wissen nur Eingeweihte, daß der britische Bassist seit Jahren in Schöneberg wohnt. Wahrscheinlich, weil die Progressive-Rockgruppe Camel, der Colin Bass seit 1979 angehört, in Berlin nur über einen, gelinde gesagt, sehr überschaubaren Freundeskreis verfügt. Zum letzten Konzert der Gruppe im Knaack kamen jedenfalls sowenig Zuhörer wie auf keiner anderen Station der großen Camel-Welttournee – die meisten Fans sitzen in Holland, Polen und der US- Westcoast.
Sabah Habas Mustapha hingegen ist in Berlin vergleichsweise bekannt, allein schon als Moderator einer samstagnachmittäglichen Musiksendung auf SFB4 Multikulti. Darüber hinaus hat sich der „jüngste Bruder“ der balkanischen Weltmusiksippe 3 Mustaphas 3 auch einen guten Ruf erworben als Produzent und Begleitmusiker zahlreicher ausländischer Künstler, angefangen von den New Yorker Klezmatics bis hin zur madagassischen Formation Tarika. Und nicht zuletzt natürlich durch seine beiden in Indonesien entstandenen Soloalben, die stets auf Anhieb die Weltmusik-Radiocharts der Kollegen stürmten.
Daß es sich bei Sabah Habas Mustapha und Colin Bass um ein und dieselbe Person handelt, stürzt Musikfreunde, die in Schubladen zu denken gewohnt sind, nicht selten in arge Verwirrung.
Das Spiel mit den Identitäten macht Colin Bass alias Sabah Habas Spaß, keine Frage. Allerdings hat er gemerkt, daß nicht alle seinen Humor teilen. „Sogar Weltmusikfans sind manchmal furchtbar engstirnig. Als ob eine bestimmte Art von Musik alle Antworten geben könnte – wie eine Religion.“
So gesehen ist Colin Bass ein vergnügter Häretiker. Vor dogmatischem Purismus rettet ihn im Zweifelsfall sein Alter ego: „Sabah Habas ist in manchen Belangen sehr hilfreich. Er gibt mir die Freiheit, bestimmte Dinge zu tun, die man von Colin Bass nicht erwartet. Mein neues Album enthält etwa einen Countrysong und ein Technostück.“
Sein Eklektizismus dürfte vor allem seine Fans in Indonesien irritieren. Dort ist der Musiker ausschließlich unter seinem Pseudonym bekannt. Eine Weile ging in den dortigen Medien das Gerücht um, bei Sabah Habas handle es sich um einen geheimnisumwitterten Komponisten aus dem Libanon. Die meisten jedoch kennen ihn bestenfalls nur als „den Mann, der ,Denpasar Moon‘ geschrieben hat“.
Dieses Stück, mehr aus einer Fingerübung heraus entstanden, wurde unverhofft ein Riesenhit im Inselstaat, weil Sony den Song in einer äußerst populären TV-Reklame einsetzte. Eine gleichnamige Soap-opera wählte sich „Denpasar Moon“, gesungen von einer gewissen Meribeth, zur Titelmelodie, und schon lag die Musik überall in der Luft. Zwei Schubladen voller Kassetten mit Coverversionen hat Colin Bass in seiner Wohnung gesammelt – in Indonesien ist es üblich, daß erfolgreiche Lieder von allen möglichen Interpreten nachgesungen werden. Dafür klappt das mit den Tantiemen noch nicht so recht: ein Copyrightsystem wird gerade erst aufgebaut, Geld hat Colin Bass für seinen Erfolgsschlager kaum gesehen. Wenigstens kann er für sich reklamieren, Autor des ersten englischsprachigen Hits Indonesiens gewesen zu sein – eine echte Pionierleistung, zumal er sich dabei indonesischer Populärstile bediente, urbane Tanzrhythmen des sogenannten Dangdut-Stils geschmackssicher mit sundanesischer Folklore kreuzte. So etwas hatte es bis dahin nicht gegeben.
Für seine neue Platte „Jalan Kopo“ reiste Colin Bass wieder nach Indonesien, diesmal nach Bandung, der Hauptstadt der Sunda-Provinz im Westen Javas, und spielte dort mit örtlichen Musikern, den „Jugala All Stars“, eine Handvoll neuer Stücke ein. Lediglich „Habibeh“, das hitverdächtige Liebeslied im poppigen Dangdut- Sound, entstand in der Hauptstadt Jakarta.
Sonst dominieren auf „Jalan Kopo“ die sundanesischen Einflüsse: Der Klang der Suling-Bambusflöte, die sundanesische Geige namens Senggak, die zylinderförmige Khedank-Trommel bestimmen den Sound.
Colin Bass ist ein Mittler zwischen den Musikwelten, der versucht, hierzulande die kaum bekannte Populärmusik Indonesiens populär zu machen – mittels seiner kürzlich gegründeten eigenen Plattenfirma, durch seine Radiosendung, durch sporadische Artikel in Weltmusik-Fachzeitschriften und durch Kontaktpflege zur indonesischen Musikszene. Eine Menge Arbeit: „Es ist frustrierend, allein was es kostet, indonesische Musiker für Live-Gigs herzufliegen.“
Daneben geht natürlich immer noch viel Zeit drauf für die Projekte mit den Camel-Kumpanen. Im März erscheinen Live-Album und Video zur vergangenen Tournee, und vielleicht geht es dann noch einmal für ein paar Konzerte um die Welt. Als Colin Bass, diesmal. Daniel Bax
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