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Mittendrin und dabei

■ Im Wettbewerb: Brian de Palma als Hai im Karpfenteich / Viel Italien und Frankreich / Nichts aus den Deutschländern / Warum klingt bei Uwe Schrader alles falsch?

Wie immer habe ich das wichtigste vergessen: Also insgesamt gibt es - von den Mankiewicz– und Cinecitta–Retrospektiven abgesehen - 35 Filme zu sehen. 25 davon im Wettbewerb um den Goldenen Löwen, sieben in der „Woche der Kritik“, zwei als „special events“ - Rohmers „Der Freund meiner Freundin“ und Hustons „Die Toten“ - dazu kommt ein Film von Paolo Brunatto über Bertoluccis Dreharbeiten zu seinem Film über den letzten Kaiser von China. Von den 22 Spielfilmen von Joseph L. Mankiewicz werden 21 gezeigt, und aus 50 Jahren Cinecitta werden neun Filme vorgeführt. Von den 25 Wettbewerbsfilmen stammt einer von einer Frau, die meisten aus Italien und Frankreich, es gibt einen russischen, einen türkischen, einen indischen, einen schwedisch–norwegisch–dänischen (so steht es im Katalog) usw., und keinen aus der BRD und der DDR. Im Wettbewerb konkurrieren nicht nur Tanner, Goretta, Malle mit Olmi, Comencini, Jancso, Ivory, sondern mittendrin im kultivierten Karpfenteich ein blutrünstiger Hecht: Brian de Palma mit seinem Mafia–Film „Die Unberührbaren“. Die Jury mit ihrer Chefin Irene Papas wird es nicht leicht haben. Ein Regisseur, dessen Debut vor Jahren Aufsehen erregte, im Programm „Woche der Kritik“. Uwe Schrader, sein „Kanakerbraut“ sorgte 1983 für ein wenig Abwechslung, hat nach Venedig „Sierra Leone“ mitgebracht. Fred kommt aus Sierra Leone, wo er auf Montage gearbeitet hat, zurück ins heimatliche Ruhrgebiet, besucht Ehefrau und Freundin, macht eine neue Bekanntschaft, und am Ende läßt er die prall gefüllte Brieftasche zurück, hält einen Laster an und geht wieder auf Achse. Schrader, Jahrgang 1954, legt Wert auf Authentizität, er will einen Spielfilm machen, der wie ein Dokumentarfilm wirkt. Der Zuschauer soll sich „mittendrin und dabei“ fühlen. Wenn Fred in eine Pommesbude geht, dann geht er in eine wirkliche Pommesbude, betritt er ein Lokal, dann betritt er wirklich ein Lokal. Schrader erzählt stolz von seiner Arriflex 300, und natürlich gibt es nur O–Ton. Tatsächlich fühlt der Zuschauer sich „mittendrin und dabei“. Aber nicht im Film, sondern in den Dreharbeiten. Das Auge der Kamera hat keinen Gleichgewichtsausgleich. Wenn der Kameramann geht, wackelt das Bild. Wenn er das wirkliche Lokal betritt, fängt die Decke an zu schwanken. Ich habe kein Auge mehr für das so sorgfältig ausgesuchte wirkliche Lokal, die authentischen Menschen, sondern ich stelle laienhafte Gedanken über die Mühseligkeiten des Filmemachens an. Es gab Zeiten, da pries man mir das als Verfremdungseffekt. Jetzt gilt es als Garantie für Authentizität. Wenn doch jemand, der etwas davon versteht, mir und den Lesern einmal den Unterschied zwischen diesen prätentiös unprätentiösen Improvisationen a la Schrader und der perfekt stimmigen, virtuos gekonnten Improvisation eines Rohmers erklären könnte. Warum klingt jeder Satz bei Schrader falsch? Was macht er verkehrt? Arno Widmann

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