■ Politiker und Medien: Mitleid-Crisis
Putzige kleine Rudigramme, Possierliches von der Euroheidi, Hildebrandt wutentbrannt. Und Herr Höppner läßt ausrichten, er käme auch gern mal ins Studio: Frappant, mit welcher Unausweichlichkeit die amtierende Sozialdemokratie jenem Bild zu ähneln trachtet, das sie als Titanic-Parodie eigentlich entglitten findet.
Die großen Strolche dagegen heuern Rupert Scholz, der gutachterlich Herrn Kirch attestiert, notfalls sei auch noch ein Monopol eines Senderkonzerns verfassungsgemäß. Der Unterschied zwischen Sozis und Schwarzen ist nicht, daß die SPD sich schlecht, die Union sich gut verkauft. Im Gegenteil: Die SPD will gesendet werden – die anderen wollen senden.
Natürlich haben Konservative und Wirtschaftsradikale einen brutal direkten Einfluß auf die veröffentlichte Meinung. Logisch versucht die Opposition, ihren Resteinfluß um so trickreicher geltend zu machen. Als Redakteur oder Interviewer mag man irgendwann nicht mehr hören, daß „zu Stasi und Stolpe nicht zu fragen“ sei, daß man „gegen den Dicken helfen“ müsse, daß „eine linke Sendung doch weiß, worum es jetzt geht“. Wer – zu Recht – die „fette Selbstgerechtigkeit Kohls“ geißelt, überzeugt nicht, indem er magere Selbstgerechtigkeit dagegensetzt. Des Kanzlers Regierungsverklärung bestand recht eigentlich darin, daß er das Ding praktisch schon wieder gewonnen habe. Will die SPD mehr Sender und Seiten, wo sie so was auch mal sagen darf – oder will sie uns überzeugen, warum sie dagegen ist? Da gab's in Bild am Freitag ein Rudi-Ment von Interview auf Seite 2. Fragen: „Was bedeutet für Sie Heimat? Sind wir Deutsche egoistisch?“ Und der Preis ist heiß: Zwei Seiten darauf zahlt die SPD eine halbseitige Anzeige.
Der gute Kicker „geht dahin, wo's weh tut“, sagt die Trainerweisheit. Die Union hält sich dafür eine Ersatzbank voller Geißlers, Süßmuths, Pflügers. Verärgert registriert die Tribüne, daß die stets ausgewechselt werden, wenn's ernst wird.
Nach einem Wahlsieg der Opposition würden Kirch und Springer und Bertelsmann nicht Scharpings Lobpreis zu singen beginnen. Vielleicht ist der Wahlsieg tatsächlich unmöglich, weil sie's auch vorher nicht tun. Nur: Wer den Wechsel will, will auch einen Wechsel des Diskurses. Statt Darsteller Kohl Gegendarsteller Lafontaine ist ein schlechter Wechselkurs.
„Der Rudi hat tüchtig auf die Socken gekriegt“ – so was honorieren die Fans. „Jetzt geht's los!“ singen sie bei dem Spielstand eh schon lang nicht mehr, sondern – unterschätzt den Stehrang nicht: „Scheißegal, scheißegal ...“. Und jetzt alle. Es gab schon Spiele, die so noch mal aufgebogen wurden. Friedrich Küppersbusch
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