: Miteinander, aber nicht gemeinsam
Auf dem Spitzentreffen nach dem Haushaltsurteil sagt die Opposition „konstruktive Mitarbeit“ zu, betont aber Unterschiede. SPD-Fraktionschef Müller will im Gegenzug bei seinen Genossen für eine Enquetekommission werben
Der Terminus technicus für das künftige Verhältnis heißt „konstruktive Mitarbeit“. Mit ihm traten die Oppositionschefs aus dem Büro ihres SPD-Kollegen Michael Müller. Der hatte wegen der ungewissen Lage nach dem Haushaltsurteil des Landesverfassungsgerichts zum Spitzentreffen geladen. Müller sagte zu, in seiner Fraktion für die von der CDU beantragte Enquetekommission zu werben. Sie soll Leitlinien der Finanzpolitik erarbeiten, stieß aber bei Rot-Rot auf wenig Begeisterung. Sehr skeptisch äußerte sich Müller zur Forderung, statt eines Doppelhaushalts nur einen Etat für 2004 zu verabschieden. Ein zweites Treffen soll nächste Woche folgen, wenn die Fraktionen zustimmen.
Mit zufrieden wirkenden Gesichtern resümierten die Chefs noch vor der Bürotür ihr Gespräch. Es gebe zwar weiter keine Einigkeit über die Interpretation des Urteils, sagte FDP-Fraktionschef Martin Lindner. Man sei sich aber einig, dass die Politik nach dem Urteil nicht beendet ist, auch wenn von der Senatsverwaltung für Finanzen anderes zu hören sei. Das Landesverfassungsgericht hatte vor knapp drei Wochen einer Klage der Opposition entsprochen und den Haushalt 2002/2003 für rechtswidrig und ungültig erklärt. Seither herrscht Haushaltssperre, die Beratungen über den künftigen Etat liegen auf Eis.
SPD-Mann Müller nahm aus dem Gespräch die Botschaft mit, dass es keine Blockadepolitik der Opposition um jeden Preis gebe. Die Einigung geht aber nicht so weit, dass die Fraktionschefs einer erneuten Klage gegen den Haushalt abschworen. Für CDU, FDP und Grünen stellt sie ein Druckmittel dar, das sie nicht aus der Hand geben wollen.
Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann betonte zudem, es gehe nicht darum, unterschiedliche Auffassungen zu verwischen: „Wir reden hier nicht über eine Allparteienkoalition.“ Aber es sei notwendig, in dieser Form über ein Gesamtkonzept der Finanzpolitik zu sprechen und nicht nur im Hauptausschuss darüber zu diskutieren, diese oder jene Maßnahme zu fördern.
SPD und PDS lehnten die von der Opposition geforderte Enquetekommission – inzwischen zu „Enko“ abgekürzt – bislang ab: Zu teuer, zu langwierig. Tatsächlich zeichneten sich bisherige Enkos, etwa zu nachhaltiger Entwicklung, nicht durch schnelle Ergebnisse aus. Die Opposition hat genug Stimmen, die Kommission allein durchzusetzen, verspricht sich aber mehr von einem gemeinsamen Beschluss.
Die Idee einer Enko ist es, anders als in einem Parlamentsausschuss Abgeordnete und Fachleute von außerhalb zusammenzubringen. SPD-Mann Müller sieht das skeptisch: Sowenig die Juristen über Urteile in der Stadt Politik machen sollten, so wenig sollen es auch Wissenschaftler tun. Nichtsdestrotrotz sagte er Unterstützung zu.
Eine Enko hält CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer jedoch nur für wirklich sinnvoll, wenn ihre Ergebnisse, die er sich für nächsten Herbst erhofft, in den Haushalt 2005 einfließen. Das wäre nicht möglich, wenn Rot-Rot darauf beharrt, den Haushalt für die beiden nächsten Jahre zu verabschieden.
Müller zeigte sich sehr skeptisch und verwies auf viele übergreifende Maßnahmen des Doppelhaushalts, der zudem Planungssicherheit gebe. „Ich weiß nicht, ob darüber wirklich eine neue Debatte losgeht“, sagte er. In der Opposition geht man hingegen davon aus, dass sich angesichts immer neuer Löcher und korrigierter Steuerschätzungen gar nicht für zwei Jahre planen lässt. STEFAN ALBERTI