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Mit wehender Robe

Handwerkermangel erreicht deutsche Justiz

Richterfoto: reuters

Handwerkertermine sind Gold wert. Das weiß jeder im Handwerkermangelland – mit Ausnahme der Richter am Mainzer Amtsgericht. Die wunderten sich am Dienstag, dass ein Verteidiger kurz vor der Urteilsverkündung mit wehender Robe verschwand: „Wegen eines Handwerkertermins“, wie die Kriminalagentur epd am Donnerstag berichtete. Mit den Worten, er müsse dringend nach Hause zu den Handwerkern, weil er anderenfalls kein fließendes Wasser mehr habe, brach der Anwalt auf. Zu Recht! Soll er denn ungewaschen vor Gericht erscheinen? Ohne fließend Wasser keine Rechtsprechung! Robenträger wissen nur zu gut, wie es unter dem schwarzen Schwitzkittel müffelt. Da muss der Klient, in diesem Fall ein Einbrecher, den zwei Jahre Gefängnis erwarteten, eben etwas länger in Untersuchungshaft sitzen. Das Urteil konnte ohne den Verteidiger nicht gesprochen werden. Bei Anwälten gebe es keine rechtlichen Möglichkeiten, ihre Anwesenheit zu erzwingen, erklärte der Amtsgerichtsdirektor, der vermutlich darüber nachdenkt, den Beruf zu wechseln. Schließlich hat Handwerk goldenen Boden, während Juristen allenfalls im goldenen Käfig sitzen.

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