: Mit viel Frauenpower gegen den Atomstrom
■ HEW-Hauptversammlung: AtomkritikerInnen klagen konkrete Schritte ein
Der Beschluß war ein bundesweites Novum. Als erster deutscher Stromversorger verankerten die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) auf ihrer letztjährigen Hauptversammlung das Unternehmensziel Atom-Ausstieg in ihrer Satzung. Vorausgesetzt, dies sei für die Gesellschaft „wirtschaftlich vertretbar“. Passiert ist seit dem Ausstiegs-Beschluß wenig. Und deshalb wird es auf der diesjährigen HEW-Hauptversammlung am heutigen Donnerstag wieder rund gehen. Die kernkraftkritischen HEW-Kleinaktionäre wollen endlich Taten sehen und fordern zum Sturm auf die Aufsichtsratsposten des Stromversorgers auf.
Die in der „Aktionärsgemeinschaft im Dienste des Ausstiegs aus der Atomenergie“ (AIDA) zusammengeschlossenen KernkraftkritikerInnen monieren, daß bis zum heutigen Tag kein konkretes Ausstiegskonzept vorliegt. Im Jahr eins nach dem Ausstiegsbeschluß steigerten die HEW gar den Atomenergieanteil an ihrer Gesamtstromproduktion von 69,8 auf 73,9 Prozent. Einzige sichtbare Veränderungen: Die HEW beteiligt sich finanziell nicht mehr an den Atomkraft-Werbekampagnen der bundesdeutschen Stromproduzenten und finanziert aus der Portokasse ein paar Solarkraft- und Windenergie-Vorzeigeprojekte.
Zuwenig, meint AIDA, die ein Mini-Aktienpaket von 200 Sück hält, und bombardiert die Versammlung deshalb mit einer Fülle von Gegenanträgen: So soll die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats abgelehnt werden, da beide bislang keine Ausstiegspläne präsentiert haben. Der über 60 Millionen Mark hohe HEW-Bilanzgewinn soll nicht per Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet, sondern in die Entwicklung umweltfreundlicher Energieträger und einen Fonds fließen, aus dem AKW-MitarbeiterInnen der HEW bei berufsbedingter Arbeitsunfähigkeit Zuschüsse gewährt werden.
„Peinlich und nicht mehr zeitgemäß“ findet es AIDA, daß für die Aufsichtsratswahl nur sieben Männer auf der Wahlliste stehen. Die Anti-Atom-AktionärInnen setzen der Herrenriege eine fünfköpfige Frauenliste entgegen. So kandidieren neben der SPD-Europaparlamentarierin Karin Junker auch die Leukämie-Gutachterin Inge Schmitz-Feuerhake, die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Ganseforth, die ehemalige GAL-Parlamentarierin Erika Romberg sowie die Sprecherin des niedersächsischen Kultusministeriums, Ulli Gröttrup.
Durchsetzungs-Chancen haben die AIDA-Anträge und Personalvorschläge freilich keine. Denn über die stadteigene Hamburger Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung hält der Senat eine satte HEW-Aktienmehrheit von 73,6 Prozent. So lautet das offizielle HEW-Statement zu allen AIDA-Vorschlägen: „Die von den Antragstellern vorgetragenen Meinungen werden nicht geteilt“. Doch die Redebeiträge der Atom-KritikerInnen werden wieder für turbulente Diskussionen auf der Zusammenkunft der AktionärInnen sorgen. Ein HEW-Aufsichtsratsmitglied: „Ohne AIDA würde uns was fehlen“. Marco Carini
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