: Mit szenischen Salven erlegt
■ Uraufführung: Olga Benario Prestes, Kämpferin der Kommunistischen Internationale
Nur für einen ganz kurzen Moment geriet Olga Benario Prestes gestern vergnügt außer Rand und Band: Als sie im seidigen Kleidchen den Charleston tanzte, erschien sie wenige täuschende Minuten lang wie eine ganz gewöhnliche junge Frau. Aber die junge Kommunistin war alles andere als das – wie Annette Ramershoven in ihrem Stück „Olga Benario“ zeigte, das am Mittwoch im Concordia-Theater Uraufführung feierte.
Sehr schlaglichthaft kurz, bisweilen allzu chronologisch, hatte die Regisseurin und Autorin Ramershoven den Streifzug durch ein kämpferisches Frauenleben angelegt, das sich in den 30er Jahren auf der politischen Achse Berlin, Moskau, Rio abspielte. Heraus kam das Charakterbild einer zerissenen Persönlichkeit, die zwar kraftvoll und leidenschaftlich, aber nie ganz unabhängig von Männern und deren Macht entschied. Eine Sichtweise, die nicht immer überzeugte – weniger weil man anderes erwartet hätte, wenn man von Olga Benarios Leben weiß, das 1942 mit ihrer Ermordung in einem deutschen Konzentrationslager endete. Sondern vielmehr, weil das Stück so voll, so fliegend getanzt und so eilig erzählt wurde, daß der Verdacht aufkam, die Nachdenklichkeit der Benario sei den – teilweise brilliant aufblitzenden – szenischen Salven zum Opfer gefallen.
Die Hauptperson des Stückes machte schon früh Furore: Kaum 20jährig befreite Olga Benario ihren Geliebten aus der Untersuchungshaft in Berlin, floh mit ihm nach Moskau und arbeitete dort für die Kommunistische Internationale. In deren Auftrag reiste sie 1934 für einen revolutionären Coup nach Brasilien. Als der im Fiasko endete, wurden Olga und ihre GenossInnen verhaftet und gefoltert. Olga wurde an die deutsche Gestapo ausgeliefert – ein Racheakt ehemaliger Genossen an ihrem Geliebten.
Gab es also wenig Anlaß für leichtfüßige Entspanntheit und ungebrochene Lebensfreude in diesem kurzen, von der Politik beherrschten Leben? Ein wenig scheint es so, in diesem Tanztheaterstück, in dem neben dem Tanz (Monica Kodato) das theatralische Element durch eine Schauspielerin (Marie-Lou Sellem) betont wird – dramaturgisch nicht nur zum Besten. Denn während die tanzende Olga noch in einer wunderbar zarten, zwillingshaft gleichberechtigten Begegnung mit ihrem Geliebten Carlos Prestes (Osvaldo Ventriglia) die halbe Bühne beansprucht, kommt die sprechende Olga allzu steif und belehrend daher: Wie die Frauen es mit der freien Liebe in den zwanziger Jahren hielten, erfahren wir – und hätten uns schon zufrieden gegeben damit, zu verstehen, wie Olga es damit hielt. Mehr von der Person und ein bißchen weniger geschichtliche Akuratesse wären wohl weniger anspruchsvoll gewesen – aber verträglicher, weil sie die tänzerisch-sinnliche Interpretation eines Lebens zwischen Hingabe und Verrat nicht so schulmeisterlich kleinkariert unterbrochen hätten. Wie das Gegenteil gelingen kann, zeigten vor allem die Szenen, in denen auf sinnliche Ausmalung gesetzt wurde. Bei den weichen Klängen der Marimba bekommt die revolutionäre Hoffnung ein anderes Gesicht. Und wenn „der einfache Mann“ dabei ungerührt seine Obstschalen auf den Boden ausspuckt, brauchen weder die Widersprüche der Revolution noch der Geschichte eine umständliche Erklärung. ede
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