: Mit staatlichen Subventionen will Airbus im Aufwind bleiben
■ Der europäische Konzern will einen Ausgleich für die Unterstützung von Boeing und McDonnell Douglas durch das Pentagon / Bald wieder Propeller
Von Ulli Kulke
Als Vorzeigeunternehmen in die Pleite? Wenn die Deutsche Airbus jetzt ihren eigenen Niedergang an die Wand malt, um weitere Staatsknete lockerzumachen (taz v. gestern), so mutet dies auf den ersten Blick verwunderlich an. Immer neue Rekordaufträge, z.B. aus den USA (100 Flugzeuge vom Typ A320) oder Japan (20 A320) konnte man schließlich in den letzten Monaten einfahren. Understatement ist jedoch schon länger angesagt. Seit Anfang des Jahres geht der Aufsichtsratsvorsitzende sowohl der Deutschen Airbus GmbH als auch des französisch–britisch– spanisch–deutschen Konsortiums Airbus Industries (Toulouse), Franz Josef Strauß, in Bonn tingeln, um für den deutschen Ableger noch mehr Zuschüsse herauszuholen. Und ausgerechnet am Tag des Abschlusses über 100 Maschinen an die größte US– Gesellschaft North West Airlines Anfang Oktober warf er den europäischen Regierungen „Entscheidungsschwäche“ im Hinblick auf die Zukunft des Airbus–Unternehmens vor. Selbstverständlich hat der CSU–Politiker dabei auch den zuständigen Bundesminister Bangemann im Visier, dessen Partei FDP er seither auch von dieser Richtung im Wahlkampf aufs Korn nahm. Doch der Hauptfeind für Strauß in Sachen Airbus sitzt nicht im Bundeswirtschaftsministerium, sondern jenseits des Atlantik, und in diesem Wettstreit ist ihm jeder Pfennig recht, zur Not auch von Bangemann. Airbus Industries gehört zu je 37,9 Deutschen Airbus und der französischen Aerospatiale, zu 20 British Aerospace und zu 4,2% der spanischen Casa. „Boeing ist noch nicht besiegt“, aber es sei gelungen, einen Teil des amerikanischen Marktes zu erobern, „ich möchte mich aller Fanfarenstöße enthalten“. Diese defensiv–militärischen Worte markieren deutlich die Grenzen der transatlantischen Solidarität des bayerischen Ministerpräsidenten. 30 Prozent ist die Marge, die Strauß für sein luftiges Unternehmen am Weltmarkt der Flugzeughersteller sichern will. Es geht um über 5.000 Flugzeuge noch in diesem Jahrtausend, einige hundert Milliarden Dollar stehen auf dem Spiel. Und da ist vor allem der Produzent der 737er und 747er aus Seattle/USA davor. Zur Zeit hat Airbus zweifellos einen Vorsprung in der Flugzeug– Technologie errungen, schauen wir aber ins nächste Jahrzehnt, so kann er sich genausogut in Luft auflösen. Der große Hit auf der britischen Luftfahrtschau in Farnborough Anfang September war ein Airbus A–300– Testmodell. Dank eines revolutionierten Cockpits konnte der zweistrahlige Düsenjet Flugmanöver vorführen, die Experten vorher für unmöglich hielten. Die Piloten brauchen nicht mehr selbst zu steuern, sondern programmieren mithilfe eines kleinen Hebels den Computer, der die Befehle über Richtung und Geschwindigkeit selbständig umrechnet und an Flügel und Triebwerke weiterleitet. Flugbewegungen, die den sicheren Flug gefährden, schließt Käptn Computer aus, wie er auch Schutz vor den stets gefürchteten Scherwinden bei der Landung bietet. Kraft sparen beim Airbus aber nicht nur die Piloten, die normalerweise eine zähe Hydraulik von Hand bedienen müssen, sondern auch die Triebwerke. Sie brauchen erheblich weniger an Treibstoff im Vergleich zu den eher traditionell konstruierten Boeing– und auch McDonnell Douglas - Düsen. Vor allem letzteres, aber auch die profitable Raumaufteilung der Kabine sind die Kriterien, die zur Zeit oft den Ausschlag geben für Airbus und gegen seine Konkurrenz. Mittlerweile sind weltweit 360 Airbusse im Einsatz. Festbestellungen für über 560 Maschinen liegen vor. Die als Konkurrenz zu den europäischen Mittelstrecken–Flugzeugen gedachten 757 und 767 von Boeing haben es seit ihrer Einführung 1981 gerade mal auf gut 265 ausgelieferte Exemplare gebracht. Zugute kommt Airbus dabei, daß die internationale Luftfahrtbehörde IATA seit einiger Zeit auch transkontinentale Flüge über die Ozeane auch mit nur zwei Triebwerken gestattet, die die bisher entwickelten Airbusse aufweisen. Boeing überholt mit Propeller Das Überholmanöver von Boeing ist jedoch bereits absehbar, obwohl es auf den ersten Blick eher wie eine Flugreise in die Vergangenheit anmutet. „Propfan“ ist die Wunderformel. Mit einer neuartigen Doppel–Propellerkonstruktion bietet Boeing Anfang der neunziger Jahre ein Fluggerät an, das mit 40 bis 70 Prozent weniger Treibstoff auskommt als der Düsentrieb. Dabei gibt es beileibe kein Zurück zu Lindberghs Zeiten, als noch 33 Flugstunden New York vom europäischen Festland trennten. „Mach 0,85“ (rund 1000 Stundenkilometer) sollen die am Heck montierten Doppel– Propeller erreichen, die den Boeing–Maschinen den Flair alter sowjetischer Tupolew–Flieger verpassen dürften. Vorerst kann hier die europäische Flugzeug–Industrie noch nicht mithalten, auch wenn Airbus seinerseits an einer eigenen Propfan–Konstruktion im Windkanal arbeitet, die dann noch schneller und noch sparsamer sein soll. Hier liegt für Strauß die „ Entscheidungsschwäche“ der Regierun gen der alten Welt begraben. Bei den Entwicklungskosten ist Europas Flugzeug–Hersteller seiner Ansicht nach benachteiligt. Und wenn Boeing meint, die Kassen von Airbus quellen über vor Staatszuschüssen, und die Grenzen der USA müssten daher gegen die Dumping–Importe abgeschottet werden - Jochen Eichen, Sprecher bei Airbus in München macht gegenüber der taz eine andere Rechnung auf. Nahezu alle US–amerikanischen Zivilflugzeuge profitierten seiner Ansicht nach bei den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung von Programmen des Verteidigungsministeriums im Pentagon, und wirksamere staatliche Zuschüsse könne man sich nicht vorstellen. Der klassische Düsenjet Beonig 707 sei praktisch die zivile Version des KC–135–Militärtransporters, die McDonnell Douglas DC 10 habe ihr Pendant in der KC–10–Militärmaschine. Und selbst die Boeing 747 (Jumbo) sei ursprünglich aus einem - vom Pentagon finanzierten - Wettbewerb für einen militärischen Großraum–Transporter hervorgegangen. Der Boeing– Propfan ist darüber hinaus eine Entwicklung der Weltraum–Behörde NASA. Um dafür einen adäquaten Ausgleich zu schaffen, müssten schon erhebliche Staatsgelder lockergemacht werden. Näheres wollte Eichen dazu nicht mitteilen, man befinde sich schließlich seit Wochen mit dem Wirtschaftsministerium im Verhandlungsprozeß, und dessen Fluß wolle man nicht gefährden. Für Strauß ergibt sich die Rechtfertigung für Subventionen schon allein von daher, daß die bundesdeutsche Flugzeug–Industrie im Krieg zerstört gewesen sei, und die US–amerikanische eben nicht. Die Bundesregierung favorisiert allerdings statt eines gigantischen Subventionsprogrammes eine Zusammenlegung der Airbus mit der US–Firma McDonnell Douglas bei Forschung und Entwicklung. Diese Alternative ist bislang daran gescheitert, daß beide möglichen Partner vom jeweils anderen die Aufgabe der Pläne für ein neues Großraumflugzeug verlangen. Besondere Boshaftigkeit unterstellt Eichen der Boeing–Konkurrenz auch insofern, als sie mit ihrer 747 nahezu Monopolstellung bei Großflugzeugen genieße, dadurch bei jedem Jumbo eine Gewinnmarge von 30 Prozent einstreiche und damit Dumpingangbote bei kleineren Airbus–Konkurrenzmodellen finanziere. Da kommt es reichlich spät, daß Airbus gegen Mitte der neunziger Jahre selbst mit zwei Großraum– Modellen (A 330 und 340) der 747 Paroli bieten will. Daß Airbus hier geschlafen habe, stellt Eichen jedoch in Abrede. Man habe zunächst nur Variationen der kleineren Mittelstrecken–Flugzeuge anbieten können, komplett neue Konstruktionen wären zu teuer gewesen. Dies wiegt nun um so schwerer, da der Dollarkurs auf zwei DM abgesackt ist, und mithin immer weniger für die beim US– Export verdienten Dollars an DM erhalten - „während Boeing zu Inlanddollars kalkulieren kann“, wie Eichen bedauert. Für diesen Dollarabsturz wolle man eben nur einen staatlichen Ausgleich haben. Den Einwand, daß es sich hier um Fehleinschätzungen beim Dollarkurs, mithin um unternehmerische Schnitzer handele, wollte Eichen nicht gelten lassen. Einen solchen Dollarabsturz habe man „einfach nicht vorhersehen können, beim besten Willen nicht“.
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