: Mit gutem Gewissen entspannen
Faire Reisen sind angesagt. Was der Begriff genau bedeutet, bleibt aber häufig im Unklaren. Ein Grundproblem: Flugreisen sind ohnehin schlecht für die Umwelt. Die Vielzahl von Umweltlabels erschwert die nachhaltige Urlaubsplanung zudem
VON OLE SCHULZ
Fair Reisen? Der Begriff klingt vielversprechend, was er allerdings genau meint, das bleibt häufig im Unklaren. Das Wiener Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung spricht in einer Broschüre zum Thema etwa von „respektvollem Fernreisen“. Dazu wird Offenheit gegenüber den fremden Kulturen, die man bereist, ebenso gezählt wie der schonende Umgang mit den natürlichen Ressourcen vor Ort. Doch „fair reisen“ bedeutet mehr als einen umweltbewussten Urlaub, denn es geht auch darum, dass die Menschen und Gemeinden, die man in Übersee besucht, materiell etwas von den Gästen aus der Ersten Welt haben, dass die Einnahmen ihnen direkt zugute kommen – und nicht allein den großen Touristikunternehmen. Aber ein Grundwiderspruch bleibt auch dann bestehen: Wer in die Ferne fliegt, schädigt die Umwelt.
Dass der Flugverkehr einen erheblichen Beitrag zum Treibhauseffekt leistet, ist mittlerweile unstrittig. Nach Schätzungen liegt sein Anteil zwischen etwa 4 und 9 Prozent – verursacht von nur rund 5 Prozent der Weltbevölkerung. Weil die Menschen in den entwickelten Ländern dennoch immer mehr fliegen, ist zu befürchten, dass alle potenziellen Emissionseinsparungen des Kioto-Protokolls bis 2010 vom Flugverkehr zunichte gemacht werden.
Laut Rolf Pfeifer vom „forum anders reisen“ gibt es immerhin Indizien dafür, dass dem Wachstum der Flugbranche Grenzen gesetzt sind: „Meine persönliche Einschätzung ist, dass angesichts steigender Ölpreise Fernreisen künftig für viele nicht mehr bezahlbar sein werden“, so der Geschäftsführer des deutschen Unternehmensverbandes für nachhaltigen Tourismus, der mittlerweile 140 Mitglieder umfasst.
Die zu erwartenden Preissteigerungen bei Fernflügen bergen, so Pfeifer, zumindest Chancen für einen umweltbewussten Tourismus innerhalb Europas. Denn für Pfeifer ist „nach ökologischen Kriterien jede Fernreise völliger Humbug“. Wer seinen Fuß in ein Flugzeug setze, verabschiede sich vom Gedanken nachhaltigen Reisens. Sollten nun die Flugpreise weiter steigen, würden zum Beispiel Bahn-, Wander- und Fahrradreisen in heimischen Gefilden attraktiver, und das käme wiederum unserer Umwelt zugute. Einziger Wermutstropfen: Wenn das Segment der Überseereisen schrumpfen sollte, dann würden auch die Einnahmen von Projekten vor Ort zurückgehen, die sich der Förderung eines nachhaltigen Tourismus verschrieben haben.
Wer nun nicht sofort auf eine gelegentliche Flugreise verzichten und trotzdem den Kriterien eines nicht nur umweltbewussten, sondern auch „fairen“ Reisens nachkommen will, der kann das Angebot von atmosfair nutzen: Bei der vom forum anders reisen und der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch im vergangenem Jahr gegründeten Initiative, mittlerweile eine eigenständige gemeinnützige GmbH, kann man die durch einen Flug verursachten Umweltschäden durch Spenden für Klimaschutzmaßnahmen ausgleichen, die Projekten in Übersee zugute kommen (siehe Kasten).
Doch auch wer der Umwelt zuliebe Fernreisen gleich sein lässt, hat die Qual der Wahl. Denn mit dem Label „umweltverträglich reisen“ werben viele Anbieter, europaweit gibt es zurzeit etwa 50 Zertifikate und Umweltmanagementsysteme für einen „grünen“ Tourismus. Wobei auch die Kriterien für Ökoreisen keinesfalls einheitlich sind. Der BUND empfiehlt daher, im Dschungel der sogenannten Ökolabels auf jene zu achten, die an der europäischen Initiative „Visit“ beteiligt sind und sich damit zur Einhaltung von 21 Mindestkriterien verpflichtet haben. „Visit ist kein eigenständiges Ökolabel, sondern eine Art Dachmarke, unter der verschiedene europäische Ökolabel vereint sind“, erläutert Stefan Ott vom BUND. „Gerade wegen der Vielfalt der Ökolabel in Europa erscheint dem BUND ein einheitliches Signet sinnvoll, das den Verbrauchern Orientierung bietet und ein Mindestniveau an Nachhaltigkeit sichert.“
Anzumerken ist hierbei allerdings, dass Visit in erster Linie auf die Zertifizierung von Unterkünften abzielt. Laut Rolf Pfeifer vom forum anders reisen handelt es sich um ein abgegrenztes System, das man nach bestimmten Kriterien analysieren kann, zum Beispiel indem man den Wasser- und Energieverbrauch misst. „Die Bewertung einer Pauschalreise nach ökologischen und sozialen Grundsätzen ist dagegen viel komplexer und schwieriger“, so Pfeifer. Doch auch forum anders reisen will sich dem Trend zur Zertifizierung nicht entziehen: „Wir arbeiten daran, ein Umweltmanagementsystem für Betriebe für unsere Anbieter zu implementieren, das eine Bewertung nach den von uns gesetzten Kriterien ermöglicht.“