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Mit geballter Faust und Lederjacke in 'Bild‘

Startschuß für den Wahlkampf in Hessen: 'Bild‘ will den „Fahrrad-Rowdy“ Cohn-Bendit zu Sturz bringen Cohn-Bendit auf die 'Bild‘-Hetze: „Immerhin fahre ich nicht mit dem Auto durch die Fußgängerzone“  ■ Von Heide Platen

'Bild‘ fährt ab, dreht durch, Rad ab? Seit Tagen greift das Blatt in Frankfurt in die Speichen und unter die Gürtellinie der RadfahrerInnen im allgemeinen und des grünen Stadtrates Daniel Cohn-Bendit im besonderen. Und damit ist es endlich einig mit der absonderlichen Manie, die auch CDU- und FDP-PolitikerInnen seit geraumer Weile befällt: den Radfahrer-Haßtiraden. Radfahrer gefährden Autofahrer, das christliche Abendland, FußgängerInnen, sollten Helme und Nummernschilder tragen. Nur Zwangs-Haftpflichtversicherung, schärfere Polizeikontrollen, gar ein Verwarnungsgeldkatalog können ihrem wüsten Treiben Einhalt gebieten. „Fahrrad-Rowdys“ kommen gleich hinter den Killer-Hunden.

'Bild‘-Reporter als Ordnungshüter

Ursache der Aufregung ist der radelnde Multikultur-Dezernent Cohn-Bendit, den ein ordnungswütiger „Bild“-Reporter in der Fußgängerzone ausmachte. Immerhin fahre er kein Auto, beschied ihn der amtstragende Radler flapsig. Und schon hatte er den Salat. Jetzt blickt er als Bösewicht mit Bild-Unterschrift aus dem Blatt: „Lederjacke, geballte Faust, eine Hand am Fahrradlenker: Daniel Cohn-Bendit“.

„Zurücktreten“, „ein Rüpel!“ schallt das Echo aus der CDU-Fraktion im Römer. Da mußte gar der Oberbürgermeister her. Der habe es, mokiert sich 'Bild‘, „abgelehnt, sich zum Fahrverhalten von Magistratsmitgliedern zu äußern“. Was das betrifft, ist Daniel Cohn-Bendit, gemessen an anderen Bundesländern und Parteien, denn auch verkehrsmäßig ein eher kleines Licht.

Rasende Politiker

Verdanken wir doch einem Satiremagazin die liebevoll und kontinuierlich fortgeschriebene Unfallstatistik betrunkener autofahrender Unions-Politiker von Vollsuff bis Totalschaden. Manche Probleme werden gemacht, manche erledigen sich eben nach dem Stammtisch von selber.

Noch unter das Niveau dieses Möbels fällt die vorläufig letzte Einladung des Blattes zur freien Assoziation: „Fahrrad-Rowdy schlug brutal zu“. Dem paßten sich die anonymen Briefeschreiber an, die dem personifizierten Sündenbock auf dem Drahtesel ans Pedal treten: „Bis zum Jahresende haben Sie elender Judenbengel ausgesungen!“ Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Es ist, wie gehabt, schon wieder Wahlkampf in Hessen. Und da kommen hier seit einigen Jahren regelmäßig die Roten, die Grünen, die Kommunisten, die AusländerInnen und nehmen den Hessen die Autos und die Arbeitsplätze weg. Wir erwarten demnächst mindestens die Serie „Terroristische türkische Rollstuhlfahrerin drängte Politiker-Limousine von der Fahrbahn“.

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