: Mit der Faust ins Auge
■ Skinheads sollen den freien Journalisten Klaus Farin zusammengeschlagen haben / Prozeß vom Amtsgericht vertagt
Vor einigen Jahren schlugen Skinheads den Journalisten Klaus Farin an einer Autobahnraststätte zusammen. Gestern endlich kam es vor dem Amtsgericht Moabit gegen zwei der mutmaßlichen Täter zum Prozeß: den 26jährigen Tiefbauer Hans-Jürgen L. und den 25jährigen Hausmeister Thomas L. Die beiden, die zum Umfeld der rechtsextremen Nationalistischen Front (NF) gehören sollen, verweigerten jegliche Aussage. Nach kurzer Verhandlung wurde der Prozeß auf unbestimmte Zeit vertagt, um weitere Zeugen zu laden.
Der 35jährige Farin, der auch für die taz schreibt, ist Spezialist für Jugendsubkultur. Er veröffentlichte mehrere Bücher über Jugendgangs und Skinheads. Am Tattag, dem 4. August 1991, kam Farin von einem Jugendfestival. Farin war mit drei Freunden unterwegs. Einer von ihnen war der 37jährige Ulrich S., ein sogenannter Red-Skin. Red-Skins fühlen sich politisch dem linken Lager zugehörig. An der Raststätte Ludwigslust machte die Gruppe eine Pause. Ulrich S. eilte zur Toilette, Farin ging ins Restaurant. Auf dem Klo, so Ulrich S. gestern als Zeuge, stellten ihn drei Skinheads zur Rede. Ob er derjenige sei, der kürzlich im Radio gesprochen habe. Ulrich S. verneinte, denn er hatte sich in einer Fernseh-Talkshow gegen das Vorurteil verwahrt, alle Skinheads seien Rassisten. Die drei Kurzgeschorenen tuschelten kurz miteinander. Dann, so der Red-Skin, beschimpfte ihn der Angeklagte Thomas N. mit Worten wie „rote Sau“ und verpaßte ihm eine Ohrfeige.
Ulrich S. trommelte im Restaurant zum sofortigen Aufbruch. Als die Gruppe die Gaststätte verließ, hatten sich die Skinheads drohend an den Ausgängen postiert. Farin riefen sie zu: „In Berlin kriegen wir euch.“ Kurz vor dem Auto, so der Journalist gestern, rempelte ihn der Angeklagte Hans-Jürgen L. an und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Der Journalist stürzte blutend zu Boden. Seine Nase war gebrochen. Auf einem Auge war er vier Wochen lang blind, weil ihm die Glassplitter seiner zertrümmerten Brille in die Netzhaut gedrungen waren.
Obwohl Farin und seine Freunde bei der Ankunft in Berlin sofort Strafanzeige erstatteten, und zwei der mutmaßlichen Täter anhand von Lichtbildern eindeutig identifizierten, dauerte es fast zwei Jahre bis zur Anklageerhebung. Auf mehrmalige schriftliche Nachfrage erfuhr Farins Anwalt, Christian Ströbele, daß sich die Berliner und Schweriner Polizei die Akten wegen angeblicher Nichtzuständigkeit gegenseitig hin und hergeschoben hatten und dabei schließlich verloren gegangen waren. Der Verteidiger des in der rechten Szene „NF-Tommy“ genannten Thomas L. bewirkte gestern, daß der Prozeß vertagt wurde. Er hatte gefordert, den bisher unbekannten dritten Skinhead als Entlastungszeugen zu hören und dem Gericht dessen Namen und Anschrift genannt. Dazu Ströbeles Kommentar: „Dann kann die Anklage gleich auf diesen Zeugen erweitert werden.“ plu
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