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Mit den Augen des Kindes

betr.: „Doris und Angela ins Eck“, (Kinderschutzbund-Chef greift Kanzlergattin und CDU-Chefin für ihre autoritären Erziehungsthesen an), taz vom 12. 5. 01

Zu diesem Thema hat Astrid Lindgren anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1978 folgendes gesagt:

„Jenen aber, die jetzt so vernehmlich nach härterer Zucht und straffen Zügeln rufen, möchte ich erzählen, was mir einmal eine alte Dame berichtet hat. Sie war eine junge Mutter zu der Zeit, als man noch an den Bibelspruch glaubte, dieses ‚Wer die Rute schont, verdirbt den Knaben‘. Im Grund ihres Herzens glaubte sie wohl gar nicht daran, aber eines Tages hatte ihr kleiner Sohn etwas getan, wofür er ihrer Meinung nach eine Tracht Prügel verdient hatte, die erste in seinem Leben. Sie trug ihm auf, in den Garten zu gehen und selbst nach einem Stock zu suchen, den er ihr dann bringen sollte. Der kleine Junge ging und blieb lange fort. Schließlich kam er weinend zurück und sagte: „Ich habe keinen Stock finden können, aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen.‘ Da aber fing auch die Mutter an zu weinen, denn plötzlich sah sie alles mit den Augen des Kindes. Das Kind musste gedacht haben: ‚Meine Mutter will mir wirklich weh tun, und das kann sie auch mit dem Stein.‘

Sie nahm ihren kleinen Sohn in die Arme, und beide weinten eine Weile gemeinsam. Dann legte sie den Stein auf ein Bord in der Küche, und dort blieb er liegen als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser Stunde selbst gegeben hatte: ‚Niemals Gewalt!‘“ HANS PETERSEN, Hamburg

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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