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Mit dem grünen Frankreich zur Fusion

Merkwürdigkeiten von der Fusionsfront: Agentur Flaskamp verwendete ein Frankreich-Bild, um für die Länderfusion zu werben. Bündnisgrüne erinnern sich an Karl Marx  ■ Von Severin Weiland

Mit der Heimat ist das so eine Sache. Über den Begriff läßt sich trefflich streiten. Ist es die Kinderstube, die Geburtsstadt, das Haus der Eltern oder das Fleckchen Erde, wo man selbst und die liebsten Freunde leben? Die Agentur Flaskamp jedenfalls, die im Auftrag des Senats die Werbekampagne für die Länderehe mit Brandenburg betreut, hat auf jene drängende philosophische Frage unbewußt eine neue Antwort gefunden.

Das Plakat mit dem Slogan „Unsere gemeinsame Heimat, ein schönes Land!“, das mit einer saftiggrünen Allee den Briefwählern den Weg zur Fusion weisen soll, ist nämlich ein Produkt virtueller Realität. Denn wo stehen eigentlich jene schattigen Bäume? In Deutschland oder gar im fernen Frankreich, wie findige Reporter des Boulevardblatts BZ herausgefunden haben wollen? Soviel jedenfalls ist sicher: Flaskamp übernahm das Bild von der englischen Fotoagentur „Pictor“ und verwendete es schon im vergangenen Jahr für eine Infobroschüre. Womit die Medienexperten den schönsten und wohl besten Beweis dafür lieferten, daß die von ihr herbeigesehnte Berlin-Brandenburger „Heimat“ doch wohl eine sehr relative Angelegenheit ist.

Vom Mißbrauch der Bilder ist auch von anderer Stelle zu berichten. Tote sind bekanntlich mausetot und können sich folglich nicht mehr wehren. Sollte es also jemals eine Statistik über Leichenfledderei geben, dürfte einer der Rekordhalter wohl Karl Marx sein, dessen Konterfei in diesem Jahrhundert für allerlei Projekte herhalten mußte. Nun darf Marx an seinem 178. Geburtstag, dem 5. Mai, auch noch für die Länderehe werben – unter dem Motto „Mein Größter Wunsch zum 5. Mai – Völker beider Länder vereinigt euch“.

Weil die Bündnisgrünen auf ihrem letzten Landesparteitag auf keinen gemeinsamen Nenner kamen, ziert das Plakat folglich kein Parteiemblem, sondern die Namen grüner Unterstützer. Die Idee, sich Marx wieder einmal anzueigenen, hatte Bernd Köppl, seines Zeichens gesundheitspolitischer Sprecher und medienerprobter Vorkämpfer seiner Fraktion. Lange ist's her, da feierte Köppl den Geburtstag des 1818 geborenen Verfassers des Kommunistischen Manifests und anderer mittlerweile in Vergessenheit geratener Schriften mit schöner Regelmäßigkeit. Und kam dabei nicht selten in Konflikt mit seiner damaligen Freundin: „Sie hatte ja auch am 5. Mai Geburstag“, schmunzelt der 47jährige. Das Plakat, so sein innigster Wunsch, möge vor allem Verwirrung unter PDS-Anhängern stiften. Dort aber reagiert man sehr gelassen.

Rund 300.000 Mark haben Berliner, Brandenburger und Bundespartei für die Anti-Kampagne bereitgestellt. 4.000 Plakate sollen bis zur Volksabstimmung am 5. Mai geklebt werden. Das Motto ist, gemessen an den sonst witzigen Kampagnen der Gysi-Bisky- Truppe, allerdings eher dröge – wie der Inhalt des Staatsvertrags: „Nein: Weil man zu einem schlechten Vertrag nicht ja sagen kann“.

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