: Mit Optimismus in die Arbeitslosigkeit
■ Arbeitsministerin: Die Zahlen stimmen nicht
Was tut eine MinisterIn, um ihre/seine Ehre zu retten? Er/sie rettet die Ehre des Ressorts. Regine Hildebrandt ist mutig Presseberichten entgegengetreten, wonach es in allernächster Zukunft in der DDR bis zu 1,25 Millionen Arbeitslose in Landwirtschaft und Industrie geben wird. Alles Übertreibungen. Diejenigen, die aus Gründen der Strukturveränderungen „ausgegliedert“ werden müßten, sind nach den Darstellungen der Arbeitsministerin nicht arbeitslos und werden es auch nicht in Kürze sein. Frau Hildebrandt polemisiert im 'Der Morgen‘ gegen Darstellungen, sie rechne mit etwa 1,5 Millionen Arbeitslosen. Diese Zahl sei ein „Mißverständnis“. Ihr Bestreben gehe dahin, die 1,25 Millionen Freizusetzenden und die rund 250.000 tatsächlichen Arbeitslosen über Qualifizierung und Umschulung „eben nicht arbeitslos werden zu lassen“.
Zwei von sieben Milliarden D-Mark, die dem Ministerium für Arbeit und Soziales im Staatshaushalt zur Verfügung stehen, seien für die Betreuung der Arbeitslosen und die Arbeitsförderung vorgesehen. Derzeit reichten diese Gelder noch. Es würden aber ständig Ermittlungen über die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt vorgenommen und rechtzeitig Absprachen getroffen, wenn größere Geldmengen nötig sind. „Wir sind darüber im ständigen Kontakt mit dem zuständigen Bundesministerium“, sagte Frau Hildebrandt.
Ähnliche optimistische Klänge verlauteten aus dem Lager der bundesdeutschen Führungskräfte, die ein DDR -Wirtschaftswunder in drei Jahren nach westdeutschem Vorbild erwarten.
Jedoch sehen diese fähigen Kader das DDR-Arbeitsproblem etwas dramatischer, als die DDR-Ministerin: Mit der Einführung der Marktwirtschaft in der DDR wird es nach Meinung der Befragten Massenentlassungen geben: Im Lauf der nächsten beiden Jahre rechnen sie dort mit 1,4 Millionen Arbeitslosen. Dabei erwarten aber nur 45 Prozent soziale Unruhen. Nahezu alle (91 Prozent) plädieren für die Schaffung eigener Produktionsstandorte in der DDR. 71 Prozent sind zumindest einmal geschäftlich in der DDR gewesen, 55 Prozent gleich mehrfach.
ABC
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