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Archiv-Artikel

Mit Oma Sternenburg im Kaffeehaus

Jan Feddersens Gastro-Kritik: Das Barcomi’s ist längst eine Legende – aber hält es auch der Prüfung älterer Menschen stand?

Leitungswasser ist das neueste Surplus, also der Rabattmarkentrick der alternativen Szene. Wird hier anstandslos gereicht. Ist aber nicht nötig, denn zu jedem Kaffeegetränk wird, so amerikanisch wie wienerisch, ein Glas Wasser der sprudelnden Sorte gebracht, von der guten Römerquelle. Auch sie im Sortiment zu führen zählt zu den Plushäkchen, die man in Sachen Barcomi’s zu machen bereit ist: Der Kaffee dort ist einfach, ganz unterkühlt formuliert, genießbar wie – außer im Einstein – nirgendwo sonst im Berlin.

Auch die Küchlein und Bagels, die verspeist werden können, sind von bester Qualität. Der Zimtkringel in Sonderheit schmeckt, am besten mit etwas Butter bestrichen – auch wenn dies Puristen stört, die auf Frischkäse abonniert bleiben möchten.

Neulich aber stand in einer Kritik, es duftete im Barcomi’s, ob in der Filiale in den Sophienhöfen oder an der Bergmannstraße, wie bei Großmutter.

Das musste getestet werden – und die Nachbarin aus Neukölln, schon vor 30 Jahren Oma geworden und heute im 85. Lebensjahr, musste mit. Und sie war’s, man muss es sagen, zufrieden. Offen blieb nur, woran es lag. Wegen der reizenden Bedienung („Die Mädchen haben ja feine Manieren“) oder der frühlingsmilden Luft, die durch die offene Tür ins Barcomi’s hineinwehen konnte. Sie sagte jedenfalls: „Was für ein guter Filterkaffee. Schmeckt gar nicht nach Muckefuck.“

Man muss vielleicht auch erwähnen, dass ältere Menschen fast gar nicht im Barcomi’s anzutreffen sind. Wirkt es möglicherweise ungastlich, weil die jugendlichen Menschen allesamt so eingeweiht, so traut und nachbarschaftlich miteinander umgehen? Oder stört Ältere, dass die Tische eher höheren Schemeln gleichen, an denen man sich leicht die Knie prellt und auf denen kaum mehr als zwei Tassen Kaffee Platz haben?

Frau Sternenburg klagte nicht, auch wenn sie einen ordentlichen Zeitungsstapel vermisste – die Druckerzeugnisse sahen zerlesen aus. Und der Abgang zu den Toiletten … nun: Er kann ohne Kletterhilfe kaum bewältigt werden. Die Kaffeehausprüferin stand dem mit Nachsicht gegenüber: „Ich muss dann eben nicht austreten.“ Ach, Frau Sternenburg weiß so viele schöne, ausgestorbene Worte.

Jedenfalls: Das Barcomi’s ist ein amerikanisch inspirierter Kaffeetempel, der dringend einen Relaunch benötigt. Oder eine dritte Filiale, speziell für Menschen, die das WG-Stadium lange hinter sich gelassen haben: nicht mehr fläzend und sofaesk-gemütlich. Wäre dies so, müsste man diesen Gasthäusern noch mehr Kränze flechten.

BARCOMI’S, Bergmannstr. 21, 10961 Berlin, U-Bahn Gneisenaustraße, Fon 030 6 94 81 38; Sophienstr. 21, 10178 Berlin, U-Bahn Weinmeisterstraße, Fon 030 28 59 83 63. Tischchenreservierung erforderlich. Kaffee u. a. Getränke ab 2 Euro; Snacks (Frühstück etc.) ab 3 Euro; Kaffeebohnen hausgeröstet, Backwaren sind „home made“