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Mit Mittelmaß rechnen

■ Uerdingen spielte „Beton-Fußball“, Werder flankte ihn weich - Ergebnis: 3:1 / Rehagel für Medien-Fußball: „Das Fernsehen muß noch ganz anders ran“

Mittelmäßig war es, das 3:1 von Werder am Sonnabend über Bayer Uerdingen. Uerdingen spielte das, was früher „Mauern“ hieß, neuerdings aber, brutaler, „Beton-Fußball“ genannt wird: Zehn Männer versuchen den Ball aus dem Strafraum zu schlagen, einer lauert an der Mittellinie. Werder spielte das, was heute „kontrollierte Offensive“ heißt, früher „Brechstange“ genannt wurde: Ball im Mittelfeld hin-und herschieben, hohe Flanke vors Tor.

Bei Uerdingens Spielweise muß der Gegener mithelfen. Das tat Werders Torwart Reck, als er einen sanften Flankenball von Mathy zum 1:1 ins eigene Tor lenkte. Zuvor hatte Kutzop, nach Handelfmeter, Werder die 1:0 Führung beschert. Bei Werders Spielweise wird der gegnerische Beton „weichgeflankt“. Irgendwann haut dabei ein Gegner mal neben den Ball. So geschahs nach 66 Minuten: Funkel patzte, Neubarth traf, 2:1. danach erzielte

Riedle aus der Drehung das 3:1.

Nach jedem dieser mittelmäßigen Spiele im Weserstadion sind Trainerworte kurze Worte. Aber heißt es nicht: „kurze Worte, langer Sinn“? Dem Gast den Vortritt. Uerdingens Trainer Rolf Schafstall: „Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Aber in Bremen wollten wir uns vor allem achtbar halten.“ (5:1, 6:1, 6:2 siegte Werder in den Vorjahren). „Und vom Ergebnis her haben wir uns achtbar gehalten.“ Sprechen Sie doch Klartext Herr Schafstall! Sie fahren mit 16 Fußballspielern, Durchschnittsgehalt 8000,-Mark im Monat, 350 km nach Bremen, um mehr als drei Gegentore zu verhindern.

Alle Achtung, da liegen Sie im Trend der Zeit. Herr Schulte von St.Pauli hat das vor drei Wochen auch gesagt. Herr Siemensmeyer aus Hannover erzählt das, Herr Tennhagen aus Bochum auch. Herr Kraft aus Stuttgart war vorgestern mit 0:3 auch zufrieden. „Werder muß zeigen, ob es das

Spiel machen kann.“ Richtig, Herr Schafstall, Sie haben den Sinn des Fußballspiels erkannt! Schließlich muß nicht jeder bei einem Spiel mitspielen. Es gibt auch Spielverderber. Dazu gehören Sie. Bloß, Spielverderber will keiner sehen.

Vielleicht sind Sie auch einfach überbezahlt. Was Sie können, kann der Trainer des FC Burg auch: „Hinten dicht und vorne hilft der liebe Gott“, erklärte er neulich vor dem Kreisligaspiel gegen Post Bremen.

Von Trainer Rehagel ist bekannt, daß er neuerdings Zuschauer nicht mehr für so wichtig hält. „Die erwarten jede Woche ein attraktives Spiel, das geht nicht.“ Es geht auch anders. Schließlich hat Real Madrid gegen Maradonna Neapel auch schon in einem ganz leeren Stadion vor 27 Kameramännern und 200 Reportern gespielt und Erfolg gehabt.

Liebe Werderführung, schaffen Sie doch die Zuschauer ganz

ab. Technische Geräuschkulisse tut es auch. Die Stadt sparte den Stadionausbau, die teure nicht funktionierende Anzeigentafel könnte verscherbelt werden. Ihr Herr Rehagel kennt doch die Alternative: „Das Fernsehen muß noch ganz anders ran.“ Richtig! Da müßte noch die eine oder andere Million drin sein. Bloß, haben Sie bedacht: wer zahlt, schafft an? Und plötzlich hat nicht der Wontorra bei Rehagel Platzverbot, sondern der Rehagel bei Wontorra.

Die real existierenden 14.500 Zuschauer vom Samstag bekommen dennoch neue Chancen - finanzielle. Werder Manager Willi Lemke will keinen Top-Zuschlag für das Europa-Cup Rückspiel gegen Celtic Glasgow erheben. Und gegen Bochum und Karlsruhe dürfen die 6.000 DauerkartenbesitzerInnen sogar zwei Personen (auch Frauen!) gratis mitbringen.

Es ist offenbar mit mittelmäßigen Spielen zu rechnen.

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