: „Mit Kraft und Mut und grünem Herzen“
■ Die Sozialisten gewannen die Wahlen in Wien / Trotz rührender Slogans Verluste für die ÖVP / Grüne bleiben draußen
Aus Wien Reinhard Engel
Die Wiener Wähler haben den Meinungsforschern eine lange Nase gezeigt: völlig überraschend fielen die Ergebnisse des kommunalen Urnenganges am Sonntag aus: Die regierenden Sozialisten (SPÖ) konnten ihre Führungsposition halten und sogar ein Mandat zulegen, die große Oppositionspartei, die bürgerliche Volkspartei (ÖVP), wurde dezimiert und verlor sieben Abgeordnete, die Rechts–Liberalen Freiheitlichen (FPÖ) legten stark zu und vervierfachten ihre Mandate auf acht, die Grünen schafften die Fünf–Prozent–Hürde nicht. Der neue Mandatsstand: SPÖ 62 (61), ÖVP 30 (37), FPÖ 8 (2). Die Prognosen hatten sowohl Verluste für die Sozialisten als auch den Einzug der Grün–Alternativen ins Stadtparlament vorhergesagt. Nur die Gewinne für Jörg Haiders Populisten waren zu erwarten gewesen. Einen Gutteil Schuld am Ergebnis trägt allerdings auch die Wahlarithmetik: denn gegenüber 1983 mußte die SPÖ sehr wohl Abstriche machen, die geringe Wahlbeteiligung sorgte aber für ein - relativ - gutes Ergebnis. Nicht herausreden auf die Mathematik können sich die Grünen: Sie wurden gegenüber der letzten Nationalratswahl dezimiert, damals erreichten sie in Wien mehr als sechs Prozent der Stimmen. Sie klagten darüber, daß die Medien sie schlecht behandelt hätten, und daß eine Grün–Konservative Gegengruppe - mit Hilfe der Sozialisten aufgestellt - die entscheidenden Zehntelprozent für den Einzug weggeschnappt hätten. Ihre Sachargumente seien bei den Wählern gegenüber Hochglanzbroschüren der Großparteien nicht durchgekommen. Der Wahlkampf wurde nicht besonders geistvoll geführt. „Wir lieben Wien, wir wählen Zilk“, hatten die Sozialisten plakatiert. „Mit Kraft und Mut und grünem Herz“ ließ der ÖVPler Gerhard Busek an die Wände picken. Lediglich die FPÖ war aggressiv aufgetreten. Sie wetterte gegen die Sparpolitik der rot–schwarzen Bundesregierung, gegen Pensionskürzungen und „Sparbüchlsteuer“. Die Schlappe in Wien wird überhaupt in der ÖVP die stärksten Nachwirkungen haben. In der Diskussion um Vizekanzler Alois Mock war Busek als einer der Favoriten gehandelt worden. Nun ist sein liberaler Wahlkampf gescheitert, sehr im Gegensatz zu den beiden Präsidentschaftswahlkämpfen, wo vorurteilsbeladener Chauvinismus durchaus „hineinging“. Der rechte, FPÖ–liebäugelnde Volkspartei–Flügel wurde dagegen gestärkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen