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Archiv-Artikel

Mit Dreck geworfen

betr.: „Die Geißel der Linken“, taz vom 18. 5. 05

Auf Seite 1 hieß es: „Allende war ein Rassist.“ Der Artikel auf Seite 14 behauptet das zwar auch, allerdings nur mit dürren Anschuldigungen: Er habe den „Naziverbrecher Rauff“ nicht an Simon Wiesenthal ausgeliefert; kein Wort über die Verbrechen des Herrn Rauff, kein Wort über die offensichtlich vorliegenden juristischen Probleme. Außerdem dachte ich, man könne Menschen nur an Staaten bzw. deren Behörden ausliefern; Wiesenthal war wohl keins von beidem!?

Dann: Allende habe eine antisemitische Doktorarbeit geschrieben; aber was war daran antisemitisch? Oder reicht es schon, wenn A. Magnus und V. Farias das behaupten? Schließlich: Allende habe um 1940 „Gesetzentwürfe zur Zwangssterilisation von Geisteskranken“ vorgelegt; auch das passt so wenig zu dem Allende-Bild, das ich im Kopf habe, dass ich gern Genaueres über diese Entwürfe erfahren hätte – und vielleicht auch, ob Allende sich zu diesen Entwürfen geäußert hat, als er 30 Jahre später Chiles Präsident wurde.

Der Interviewteil des Artikels schließlich ist für mich weitgehend unverständlich: Welche Revolution war denn ein Verbrechen? Allende wurde mit einer Mehrheit gewählt. Und welche Linken sind denn mitschuldig, weil sie „die Leute angefeuert“ haben (welche Leute übrigens?). Und welchen rechten Historiker hat Isabel Allende aufgehetzt? Dieser Artikel lässt in mir eine tiefe Unzufriedenheit zurück. Hier versucht jemand mit Dreck zu werfen in der Hoffnung, dass etwas davon hängen bleibt. HERBERT OTTEN, Köln