■ Mit Banken auf du und du: Mächtige Aufsichtsräte
Hamburg (taz) – Die deutschen Banken haben im Herbst wieder Rekorde gemeldet: Allein die Bilanzsumme der Deutschen Bank war auf gut 879 Milliarden Mark gesprungen – seit Jahresbeginn ein Plus von 22 Prozent. Zur selben Zeit stockt die Konjunktur, Arbeitslosigkeit und Firmenpleiten steigen. Diese Kluft zwischen Wirtschaft und Geldbranche wird gemeinhin der Macht der Banken zugeschrieben.
Dieser Sicht scheint sich auch die Bundesregierung zu nähern: Gestern stellte sie ihren Referentenentwurf „Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich/Banken“ vor. Im Mittelpunkt steht der Aufsichtsrat. „Wir müssen sicherstellen, daß er auch wirklich aktiver Beifahrer ist und nicht auf dem Sitz einschläft“, sagt Justizstaatssekretär Rainer Funke (FDP). Wachhalten soll ihn eine Verringerung des Kontrollorgans von zwanzig auf zwölf Personen. Großunternehmen könnte dies jedoch freigestellt werden.
Pro Jahr sollen statt zwei nun vier Sitzungen stattfinden. Zudem sollen künftig die Aufsichtsratsmandate des Vorsitzenden und seines Vertreters doppelt zählen. Vor der Wahl sollen die Kandidaten ihre Sitze in anderen Konzernen bekanntgeben. Hiervon verspricht sich die Bonner Koalition eine „Erhöhung der Transparenz“. Dennoch soll es möglich bleiben, daß Bankiers ihre Aufsicht in konkurrierenden Unternehmen leisten. Auch an den Mehrfachmandaten wird nicht gerührt: In fünf zum Bankenkonzern gehörenden Unternehmen dürfen die Banker sitzen sowie in zehn Aufsichtsräten, an denen die Bank nicht beteiligt ist.
Der industrielle Beteiligungsbesitz der Banken wird nicht angetastet. Vorschläge zur prozentualen Beschränkung waren in der Koalition nicht konsensfähig. Weitgehend unangetastet bleibt auch das Depotstimmrecht. Im Regelfall treten Aktionäre ihre Stimmrechte an die Bank ab. Halten Kreditinstitute mehr als fünf Prozent, müssen sie sich nach den Plänen der Koalition entscheiden, ob sie auf der Hauptversammlung ihre eigenen Stimmen oder die ihrer Kunden wahrnehmen. In der Praxis werden davon allerdings höchstens ein Dutzend Fälle berührt.
Kritiker beklagen, daß der Referentenentwurf an der Bankenmacht vorbei ziele. Nach wie vor sorgt das Universalbank-System für exorbitante Gewinne: Der billigen Refinanzierung durch Kleinanleger stehen die provisionsträchtigen Industriegeschäfte gegenüber. Die werden abgesichert durch ein Netz aus Beteiligungen, Depotstimmen und personellen Verflechtungen.
Etwa ein Viertel aller Aktienstimmen werden allein von den drei Großbanken – Deutsche, Dresdner und Commerzbank – gehalten. Mit den Stimmrechten aus Industriebeteiligungen und der geringen Präsenz auf Hauptversammlungen reicht dies für komfortable Mehrheiten. Üblicherweise hält bei Aktionärstreffen allein die Deutsche Bank einen Stimmanteil von 25 Prozent. Damit besitzt sie die Sperrminorität: Nichts geht gegen ihren Willen. Hermannus Pfeiffer
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