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Mit Bananen gegen die EU

Bananenmarktordnung in der BRD außer Kraft gesetzt  ■ Von Christian Rath

Brüssel (taz) – Die EU-Kommission gibt nicht auf. Für das heutige Treffen der EU-Agrarminister in Brüssel hat sie ein Reformpaket (siehe Kasten) zusammengestellt, das die umstrittene Bananenmarktordnung retten soll. Der Konflikt spitzt sich zu. Drei Jahre nach Inkrafttreten der EU-Bananenmarktordnung sind mehr Rechtstreitigkeiten anhängig als je zuvor. Und vor allem vor deutschen Gerichten sind die Gegner der Bananenordnung immer erfolgreicher.

So hat Mitte Januar der deutsche Bundesfinanzhof die Bananenordnung faktisch außer Kraft gesetzt. In einigen Monaten wird das Bundesverfassungsgericht wohl eine ähnliche Position beziehen. Das wäre die offene Rebellion, denn der Europäische Gerichtshof (EuGH), dessen Urteile für alle Gerichte verbindlich sind, hat die Bananenordnung bereits mehrfach bestätigt. Völlig unschuldig an der drohenden Rechtszersplitterung ist der EuGH allerdings nicht; sein erstes großes Bananen- Urteil vom Oktober 1994 wurde von Rechtswissenschaftlern in der Luft zerrissen. Die BRD als Klägerin hatte damals auf ihre zentralen Vorwürfe nur unbefriedigende Antworten erhalten. Die Rüge, die Bananenordnung verstoße gegen das Gatt-Abkommen über die Liberalisierung des Welthandels, war einfach als unzulässig abgelehnt worden. Ein Eingriff in die Grundrechte der Bananenimporteure war mit der Bemerkung vom Tisch gewischt worden, der EU-Ministerrat habe in Agrarfragen ein „weites Ermessen“.

Ein Pechvogel wird wütend

Den Hamburger Fruchthändler Hajo Port hatte die Bananenordnung besonders schwer gebeutelt. Ausgerechnet im Referenzjahr für die Zuteilung der neuen Lieferkontingente hatte ihn sein ecuadorianischer Lieferant sitzen lassen. Die Folge: Er ging bei der Verteilung der Einfuhrlizenzen fast völlig leer aus. Ein klassischer Härtefall – dachte Port und verlangte Extralizenzen. Die aber bekam er nicht, wogegen er durch alle Instanzen klagte. Beim Bundesverfassungsgericht schließlich konnte er einen Teilerfolg landen. So kam Port zu Lizenzen in Höhe von 2.500 Tonnen. In seinen Augen allerdings nur ein Almosen, „zum Leben zuwenig, zum Sterben zuviel“. Beantragt hatte er 19.000 Tonnen. Um einen Dampfer voll zu bekommen, mußte er sich nun die noch fehlenden Lizenzen für teures Geld auf dem freien Markt besorgen. Die Kosten stiegen für Port so bis auf das Doppelte.

Da dachte sich Port mit seinem Anwalt Gert Meyer eine neue Strategie aus. Sie behaupteten frech, daß die Bananenmarktordnung in Deutschland gar nicht anwendbar sei, weil sie gegen das Gatt-Abkommen verstoße. Da dieses schon im Jahr 1947 und damit vor dem EWG-Vertrag unterzeichnet worden war, habe es auch Vorrang in der Anwendung. Doch hat Deutschland seine Gatt-Mitgliedschaftsrechte inzwischen weitgehend an die EU abgetreten.

Port hatte dennoch Glück. Seine reichlich ungewöhnliche Verfassungsbeschwerde traf in Karlsruhe auf offene Ohren. Zwar lautete das Verdikt „unzulässig“, weil Port erst die Finanzgerichte bemühen solle. Aber zwischen den Zeilen signalisierte die Kammer, daß sie ein Eingreifen der Kollegen aus den unteren Instanzen durchaus begrüßen würde. Das war im April letzten Jahres. Kaum vier Wochen später hatte Port das angestrebte Urteil: Das Finanzgericht Hamburg erlaubte die zollfreie Einfuhr von Bananen, weil die Bananenmarktordnung Gatt- widrig sei.

Der österreichische Agrarkommissar Franz Fischler schrieb darauf einen wütenden Brief an seinen deutschen Fachkollegen Jochen Borchert. Doch was hätte Borchert tun sollen? Klammheimlich wird er sich über das Urteil gefreut haben, und im übrigen gilt in Deutschland: Die Justiz ist unabhängig.

Anfang dieses Jahres bestätigte der Bundesfinanzhof in München das Urteil vollem Umfang. Bis zu einer Entscheidung durch die europäischen Richter muß die Bananenordnung in Deutschland daher nicht mehr angewandt werden. Auf den Ausgang einer neuen Klage der USA bei der Gatt-Nachfolgerin Welthandelsorganisation (WTO), die seit Donnerstag vergangener Woche in Genf verhandelt wird, wollten die Münchener Richter dabei erst gar nicht warten.

Unterdessen hat hat ein anderer Importeur, der Bremer Bernd-Artin Wessels mit seiner Atlanta AG bereits eine neue Front eröffnet. Dabei hatte Wessels unter dem Strich durch die Bananenmarktordnung nicht mal Einbußen erlitten. Denn zwar schrumpfte sein Bananenabsatz erheblich, doch zugleich stieg der Ertrag durch die künstlich erhöhten Preise. Aber in der Verringerung seiner Lizenzen sieht Wessels eine entschädigungslose Enteignung und damit eine Verletzung seiner Grundrechte.

Beim EuGH ist er damit zwar abgeblitzt. Bundesgenossen hat er jetzt aber beim Verwaltungsgericht Frankfurt gefunden, wo seine Klage derzeit behandelt wird. Die Verwaltungsrichter wollen den Fall demnächst dem Verfassungsgericht vorlegen.

Drohungen nach Brüssel

Das dürfte einen der Verfassungsrichter ganz besonders freuen. Paul Kirchhof hat schon vor drei Jahren im sogenannten Maastricht-Urteil Vorarbeit geleistet. Wider alle EU-Logik hatte sich das Karlsruher Gericht damals nämlich ein eigenes Prüfungsrecht vorbehalten, falls der Europäische Gerichtshof zu sehr über die Stränge (oder was Karlsruhe dafür hält) zu schlagen drohe. Beobachter hatten sofort vor einer massiven Krise der EU gewarnt, sollte das Bundesverfassungsgericht einmal über die bloße Drohung hinausgehen.

Inzwischen dürfte dieses Spiel auch der Bundesregierung mulmig werden. Immerhin will sie sich bei der Ende März beginnenden EU- Regierungskonferenz für eine Vertiefung und Erweiterung der Integration einsetzen. Kaum etwas dürfte da ungelegener kommen, als wenn gleichzeitig das deutsche Verfassungsgericht einfach EU- Recht in den Orkus wirft.

Ports Anwalt Meyer hat sich inzwischen so mit dem Fall identifiziert, daß er eine eigene Obsthandelsfirma gegründet hat, die O.G.T. in Hürth-Kalscheuren. „Wenn die Kommission versucht, die Kläger mit Sonderlizenzen zu kaufen, wird ihr das gar nichts bringen. Notfalls ziehe ich die Sache selbst durch.“

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