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Mit 18 Autokalypse now?!

■ Mit der Volljährigkeit beginnt für viele das Autoleben. Warum dem Umweltkiller Nr. 1 der Nachschub nicht ausgeht

Berlin (taz) – Mit ihrer Volljährigkeit hat die taz nun die Altersgrenze erreicht, auf die anscheinend fast alle Jugendlichen in Deutschland nur aus einem Grund fieberhaft warten: Der 18. Geburtstag ist gleichbedeutend mit dem Einstieg in das motorisierte Leben. Aber was sind die Beweggründe, die Hunderttausende junge Menschen vom Pkw träumen lassen oder sie zumindest dazu bringen, alleine für die Fähigkeit, ein Auto fahren zu können, mehrere tausend Mark auszugeben?

Auf dem platten Land läßt sich diese Frage noch relativ leicht beantworten. Die Autogesellschaft hat den öffentlichen Verkehr zwischen den Dörfern zur Farce verkommen lassen. Das autolose Leben endet deswegen nach 18 Uhr zwangsläufig zu Hause oder auf dem Fahrrad. Und ab 18 eben im Auto. Das Ergebnis dieser „Freiheitsbewegung“ ist von Samstag bis Montag auf den Lokalseiten der Tageszeitungen unter der Rubrik Verkehrsunfälle mit Todesfolge zu lesen.

Daß der Anteil der Führerscheinwilligen aber auch unter den Jugendlichen in den Städten nicht geringer wird, läßt darauf schließen, daß der anhaltende Run auf das Auto noch weitere Gründe hat als den rein praktischen Nutzen. So sieht der Psychologe Micha Hilgers in seiner Analyse des Autofahrens die Fahrt im Pkw als regelmäßige und jederzeit aufsuchbare Rückentwicklung in die Kindheit. Das Auto biete seinem Fahrer ausreichend Gelegenheit, Größen- und Allmachtsgefühle zu erleben. Außerdem gebe es kein ähnlich leicht verfügbares und allgemein akzeptiertes Mittel für Nervenkitzel und Größenphantasien.

Genauso wie in der Gesellschaft finde im Straßenverkehr zudem ein Verdrängungswettbewerb statt: der Starke gegen den Schwachen. Nur die Straße biete die Möglichkeit der Revanche. Wer sich im normalen Leben unterlegen fühle, könne mittels seines Autos die Verhältnisse wenigstens kurzfristig umkehren, interpretiert Hilgers die Gründe für die Autosucht.

Das Auto sei demnach nur eine Ersatzbefriedigung oder Potenzprothese. Junge Führerscheinneulinge müsse sich daher einige Vorwürfe gefallen lassen: Steigt mensch ins Auto, lebt er seine Psychoneurosen auf Kosten seiner Umwelt aus. Das Umwelt- und Prognoseinstitut Heidelberg hat ausgerechnet, daß der Autoverkehr die Volkswirtschaft jedes Jahr 200 Milliarden Mark kostet.

Und daß sich die AutofahrerInnen tausendfach durch Unfälle selber eliminieren, hilft auch nicht viel weiter. Denn erstens nehmen sie dabei mehrere tausend unschuldig unmotorisierte Menschen mit in den Tod. Und zweitens steigt der Straßenverkehr in Deutschland dessen ungeachtet weiter an. Das Auto ist so zum Umweltkiller Nr.1 geworden. Und da ihm der Nachschub unter den 18jährigen nicht auszugehen scheint, wird sich das auch so bald nicht ändern.

Nur unsere taz (18) macht nicht mit. Sie versteht unter Freiheit etwas anderes, als im Stau zu stehen, und fährt zur Not Taxi. Jason Krüger

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