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Mission statt Testspielgegurke

■ Jugend kickt: In Hamburg wird wieder ernsthafter Rasenfußball gespielt

Wenn Winnie nach dem Schlußpfiff auf den Platz rennt und ein paar 17jährige Kieler erschreckt, ist klar, daß wieder ernsthafter Fußball gespielt wird – die Hündin würde niemals Freundschaftsspieler jagen. Die stürmische Begrüßung durch Winnie haben die Holsteiner sich verdient: Ihrem Ausflug in den Sternschanzenpark verdankt Hamburg das erste überregionale Pflichtspiel auf Rasen 1998.

Ein durchaus bedeutender Moment. Denn wer jetzt kein Spiel sieht, wird womöglich lange mit spanischem Fernsehfußball vorlieb nehmen müssen. Nach dem Wintereinbruch sind bald Absagen en masse zu befürchten, wenn der Platzwartalbtraum sich erfüllt, es nachts friert und die Sonne tagsüber die Plätze matschig taut.

Da ist es nahezu Mission, wenn nach allem Hallenfußball und Testspielgegurke die A-Jugend-Regionalliga-Nord beginnt. Beim Sonnabend-Spiel St. Pauli – Kiel standen dankbare 80 Zuschauer, die sich in klirrender Kälte endlich wieder über falsch gepfiffene Einwürfe und den beliebten, beim Freistoß zu weit vorgelegten, Ball echauffieren konnten. Das Spiel war Ereignis, weil es stattfand, nicht weil es schön war.

St. Pauli, souveräner Tabellenführer, gewann ohne große Anstrengung 2:0. Neben da Silva erzielte der umworbene Top-Stürmer Klasnic sein obligatorisches Tor, und Johannes Greef freute sich, daß der Schiedsrichter trotz Schneerieselns zum Spiel gebeten hatte. Der Ersatztorwart kam so zu seinem ersten Einsatz, da Kollege Frank Dröge mit den Profis auf Kreta trainingslagert.

Gestern gewann der SC Concordia 3:2 gegen Braunschweig – und es folgte das erste Derby des Jahres 1998: Hamburger SV gegen Vorwärts-Wacker Billstedt. In der vorigen Serie noch Nordmeister, leidet das HSV-Team jetzt an seinem Erfolg. Viele Spielberechtigte kicken schon für die erste Amateurmannschaft des Vereins, um an den Profifußball herangeführt zu werden. Der restliche Nachwuchs ist derzeit nur Siebter. Ganz anders Vorwärts-Wacker, die eine Woche zuvor auf Grand bereits 4:0 gegen Kiel gewannen. Als Aufsteiger sorgen die Billstedter bislang für Furore, denn 24 Punkte aus zwölf Spielen hätten der Mannschaft nur wenige zugetraut.

Im Derby fallen zwei schnelle Tore: Kevin Hansen, auch schon bei den Herren eingesetzt, bringt Billstedt in Führung, Albrecht gleicht zwei Minuten später aus. Danach besitzen die Gäste leichte Vorteile, doch dramatisch wird erst wieder die Schlußphase. Billstedts Obaidulla Karimi wird nach Foul an Dennis Gersdorf für fünf Minuten vom Platz gestellt, kurz darauf beschwert sich jener Gersdorf über einen nicht gepfiffenen Elfer und darf auch fünf Minuten zuschauen. Als wenig später ein weiterer HSV-Spieler eine Zeitstrafe bekommt, spielt Vorwärts-Wacker zehn gegen neun, doch Tore fallen keine mehr.

Mit dem 1:1 können die Billstedter leben. „Wir wollen auf jeden Fall noch überregional spielen“, gibt Trainer Stefan Malek als Ziel aus. Bei sechs Punkten Vorsprung auf den HSV bleiben die Billstedter zweitbeste Hamburger Mannschaft – und die qualifiziert sich am Ende für den jugendkicker-Pokal des DFB, in dem man sich als Hamburger auch gerne von westdeutschen Hunden begrüßen läßt.

Folke Havekost

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