: Minimalismen
■ Thomas Brinkmann und das Elektro Music Department bei Sound aka Space
„Es geht auch anders.“ Mit diesem Ausspruch, der alles vordergründig Plakative, genauso jedoch auch das allzu Abseitige verneint, kann man die Übereinstimmungen zwischen Thomas Brinkmann und dem Elektro Music Department (EMD) fassen. Konkret heißt das: Stilistisch geht es um Techno. Aber auch um Kunst. Doch da der eine in Köln und die anderen in Berlin querdenken, muss es sich um mehr als nur Musik und Kunst im konventionellen Sinne drehen. Hier werden die eigenen Visionen endlich mal zu Ende gedacht und in Greifbares transformiert. Die Parallele spannt sich zwischen den persönlichen Interpretationen des Begriffes „minimal“ auf.
Im Fall des Berliner EMD ist die Historie lang, aber ungemein konsequent. Sie beginnt 1992 mit Daniel Pflumm, der mittlerweile seine Lorbeeren als Videokünstler erntet, und der Gründung des Berliner Miniclubs Elektro. Später stießen Mo Loschelder und Klaus Kotai dazu. Was das Elektro ausmachte, war die Koexistenz der Elemente Club, Bar und Kunst, die zu einer neuen Einheit gefasst wurden, der eine gemeinsame Idee des Kreativen und nicht Kommerziellen zugrunde lag. 1995 wurde dieser Freiraum zerstört – es blieben die gemeinsamen Vorstellungen darüber, was Berlin jenseits der Neuen Mitte leisten kann und muss.
In diesem Sinne fungiert auch das Label Elektro Music Department: Eine geringe Anzahl von Releases mit einer klaren musikalischen Präferenz und extrem ausgefeiltem Artwork charakterisieren diesen Versuch und schaffen gleichzeitig einen Fixpunkt, in dem Kotai, Mo und Pflumm ihre Arbeit als Statement gegen Oberflächen- und Mainstreamhaltung präsentieren. Klanglich bilden Mo und Kotai die erste Anlaufstelle. Die Musik, die sich in einem minimal-strukturierten Technorahmen bewegt, aufgelockert duch die mehr oder weniger verfremdete Stimme von Kotai, zeigt das zeitübergreifende Konzept von EMD auf.
Bei Thomas Brinkmann liegt die Entwicklung etwas anders. Er ist bekannt geworden durch seine Plattenspieler mit zwei Tonarmen, auf denen er Platten von Ritchie Hawtin und Mike Ink variierte, mittlerweile fährt er mindestens dreigleisig. Zahlreiche Veröffentlichungen auf diversen Labels, darunter Concept, Studio 1, Strom oder dem Kölner Verlag Supposée, zeigen, wie vielschichtig die Brinkmannsche Welt sein muss. Aber den Kunstlink bitte nicht vergessen.
Ging es bei EMD um die Kreation eines neuen Kontextes zwischen Artwork, Musik und Entertainment, so geht es bei ihm um die Schaffung neuer Zusammenhänge zwischen Musikmachen und Musikbearbeiten im Kunstverständnis. Sein Verständnis von „minimal“ begann mit der Verarbeitung bereits vorhandener Loops oder Stücke, und entwickelte sich erst spät zur eigenen Produktion. So variiert diese Definition auch entsprechend der Flut seiner Releases. In letzter Zeit widmet sich Brinkmann afroamerikanischen Samples á la Motown, die sich aber nicht dem Prinzip von Funk unterwerfen wollen, sondern sich eher quadratisch ins technoide Format fügen. Aber letztlich geht es Brinkmann wie auch EMD nur um eines: ums Tanzen.
Kerstin Schäfer
Freitag, 22 Uhr, Sound aka Space, Bugenhagenstr.5
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen