■ Der Gewinner der Wahlen in Serbien steht schon fest: Milošević ohne Ende
Es wäre schon ein großes Wunder, wollten sich die SerbInnen eines Besseren besinnen und sich von der bisherigen national-sozialistischen und imperialistischen Kriegspolitik Slobodan Miloševićs abwenden. Denn nicht nur, daß die Zeit für einen grundlegenden Machtwechsel noch nicht reif zu sein scheint – immerhin fühlen sich die meisten SerbInnen weiterhin im Siegesrausch, ähnlich wie die Deutschen im Jahre 1941 –, in der Parteienlandschaft zeichnen sich zudem nur unzureichende Alternativen ab. Weder der Pirouetten drehende Vuk Drašković noch die „Demokratische Partei“ oder andere Oppositionsbündnisse werden über die Städte hinaus größere WählerInnenschichten an sich binden können. Zwar haben sie die soziale Frage in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampagne gerückt, doch ist es Milošević mit dem Hinweis auf das Embargo offenbar gelungen, die wirtschaftliche Katastrophe als von außen erzeugt darzustellen.
Der einzige spannende Punkt der Wahl wird wohl sein, wie der Führer und bisherige Koalitionspartner Vojislav Šešelj abschneiden wird. In der Annahme, die Verbrechen der serbischen Freischärler könnten ihm national wie international schaden, ließ Milošević den rechtsradikalen Extremisten schon im Sommer fallen. Nicht einmal Milošević konnte zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, daß bei den Aufteilungsverhandlungen über Bosnien die Verbrechen der Tschetniks von Owen, Stoltenberg und der gesamten Weltöffentlichkeit nicht als Hindernis für Verhandlungen angesehen würden. Indem er jedoch dem Kriegsverbrecher Arkan und dessen Partei Avancen machte, hat er versucht, diese Scharte gegenüber dem nicht unbeträchtlichen rechtsrextrem-faschistischen Wählerpotential in Serbien wieder auszuwetzen.
Auch außenpolitisch werden die Koordinaten noch mehr nach seinem Gusto verändert. Mit der Übernahme der Regentschaft der EU durch Griechenland wird einer seiner Sympathisanten, der nationalistische Sozialist und Autokrat Papandreou, im Einklang mit den proserbischen Kräften in Frankreich und Großbritannien europäische Politik gestalten. Und mit dem Wahlergebnis in Rußland wird Jelzin wohl nicht mehr umhinkönnen, dem Drängen der rot-braunen Kräfte im eigenen Land für eine noch deutlichere Unterstützung Rußlands gegenüber Serbien nachzugeben. Miloševićs Geste, um die Gunst Arkans zu werben, kann deshalb getrost als Warnung an die Albaner im Kosovo und auch an das jetzt anerkannte Makedonien gedeutet werden. Da Arkan ganz offen für die Vertreibung der albanischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo eintritt, könnte sich nach einer „Verhandlungslösung“ in Bosnien der Kriegsschauplatz verlagern, ohne daß Milošević auch dort mit schärferen, d.h. militärischen Reaktionen des Westens rechnen muß. Erich Rathfelder
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