: Millionen Fliegen können nicht irren
■ betr.: "Bewährungsunion" (Erich währt am längsten
betr.: „Bewährungsunion“ (Erich währt am längsten), taz vom 3.7.90
Der Vergleich von Mitläufern/Mittätern vor und nach 1945 hinkt weniger, als der von Honecker und einer „Berliner Oma“.
„Milde aus Altersgründen“ kann nicht das Argument gegen die Anzeige wegen „Mordverdacht“ gegen Honecker sein. Unter Mordverdacht steht unter diesen Umständen jeder Bürokrat, der es mitträgt, eine bewaffnete Armee und Polizei zu halten, ins Zuchthaus gehören dann alle Regierungen, unter deren Regime polizeiliche Todesschüsse fallen (also alle) oder die Todesstrafe noch gilt (zum Beispiel alle US- und Ex -US-Präsidenten, wie alt auch immer) oder kriegerische Handlungen begangen wurden (auch eine Menge).
Der „Kalte Krieg“ war schließlich auch ein Krieg, und daß die DDR in der Wahl ihrer Methoden oft dummdreist gründlich war, steht auf einem anderen Blatt - mit Nazi-Methoden kann man das nur vergleichen, wenn man denselben Vergleich beim „Celler Loch“ zum Beispiel, oder beim amerikanischen Überfall auf Panama (und so weiter) nicht scheut.
Die Anzeige gegen Honecker erinnert eher an stalinistische Schauprozesse - übrigens genauso die Anzeige wegen § 129a, die er, im Zusammenhang mit den RAF-Exilanten, aus dem Westen bekommen hat. Ein Volk, ein Stasi und ein BND opfern eine abgehalfterte Gallionsfigur, wobei der BND nicht mal eine eigene opfern muß.
Mit kindischer Häme vollführen die Gewinnler und opportunistischen Rübermacher des „Kalten Krieges“ ein Reinigungsritual (und auch „Altersgründe“ schützen nicht vor Infantilität) von der Bedeutungslosigkeit und Integrationskraft eines Fußballspiels, der „Herr der Fliegen“ mit überalterten Schauspielern - Millionen Fliegen können nicht irren.
P.Stebel, Berlin
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