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Milliardenloch bedroht Haushalt

Senator Kurth ortet weitere Lücken im Landeshaushalt: 450 Millionen samt Dividendenausfall der Bankgesellschaft, Steuermindereinnahmen von 1 Milliarde, und 5,6 Milliarden Mark bei der Vermögensaktivierung sind unsicher

Auf den Landeshaushalt werden in den kommenden Jahren – auch wegen der Kreditwirtschaft der Bankgesellschaft Berlin – zusätzliche Lasten zukommen: möglicherweise in Milliardenhöhe. Zu den Fehlbeträgen im laufenden Etat (rund 40 Milliarden Mark), für den Finansenator Peter Kurth (CDU) eine Haushaltssperre verhängt hat, summieren sich nicht nur pauschale Minderausgaben in dreistelliger Millionenhöhe. Hinzu kommen „zusätzliche Haushaltsrisiken in einer Gesamthöhe von 450 Millionen Mark“, sagte Kurth gestern bei einer Debatte im Abgeordnetenhaus. Verantwortlich, so Kurth, sei „auch der Dividendenausfall bei der Bankgesellschaft“. Schließlich belasteten die Haushaltskasse „wegen der Entwicklung der letzten Wochen“ noch „weitere Risiken“, betonte der Finanzsenator. Es sei nicht sicher, dass die geplanten Vermögensaktivierungen „mit einem Volumen von 5,6 Milliarden Mark erreicht werden können“.

Kurth musste gestern einräumen, dass der „durch die Steuerreform erwartete Wachstumsimpuls“ im Jahr 2001 „ausgeblieben“ sei. Das Land müsse hier mit Mindereinnahmen „von weit über einer Milliarde Mark“ rechnen. Dennoch will Kurth am bisherigen Sparkurs der Regierung festhalten und schloss Neuverschuldungen aus. Stattdessen sollten die Finanzen nach den Empfehlungen der „Expertenkommission Staatsaufgabenkritik“ saniert werden: durch die Reduzierung der Personalausstattung, Zusammenlegung von Verwaltungen, ein besseres Gebäudeleerstands-Management und die Neuregelung der Bauordnung.

Dadurch könnten, so Kurth, jeweils „Beträge in dreistelliger Millionenhöhe“ eingespart werden. Die Haushaltssperre werde nicht vor Mai aufgehoben, sagte der Finanzsenator, erst dann läge die neueste Steuerschätzung vor.

Noch weitaus größere Risiken für den Landeshaushalt sahen gestern die PDS und die Grünen. Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz werde insbesondere die „Misswirtschaft der Bankgesellschaft“ Berlin hart treffen. So entfielen dem Land nicht nur die 135 Millionen Mark an Dividende, die durch die defizitäre Aubis-Kreditvergabe ausbleiben werde. Hinzu kämen rund 500 Millionen Mark an Defiziten „durch den Nichtverkauf von Aktien der Bankgesellschaft“ in diesem Jahr und Einnahmeverluste von 3 Milliarden Mark aus Mitteln der Investitionsbank sowie aus dem geplanten Verkauf der GSW. Klotz forderte Kurth auf, die „finanziellen Risiken bei der Bankgesellschaft“ offen zu legen und einen ungeschönten „Kassensturz“ zu machen.

Stefan Liebich, Finanzexperte der PDS-Fraktion, nannte den von Kurth auf 450 Millionen Mark taxierten Fehlbetrag unseriös. Dem Landeshaushalt fehlten durch die Ausfälle der landeseigenen Bank, durch Überschreitungen bei den Personalkosten und Sozialleistungen sowie den pauschalen Minderausgaben und „Effizienzrenditen“ zusammen „locker 1,5 Milliarden Mark“, so Liebich. Der Finanzsenator betreibe keine Haushaltsplanung, sondern „finanzpolitisches Roulette“ mit der Stadt.

ROLF LAUTENSCHLÄGER

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