: Milch–glasnost
■ Stern–Interview im Neuen Deutschland nachgedruckt
Das „Neue Deutschland“ kostet immer noch 15 Pfennig, wie seit Jahrzehnten schon. Bis Ende letzten Jahres war es nur selten ausverkauft, verbreitete das Blatt doch nicht nur für den ungeübten Westleser staatstragende Langeweile. Seit dem berühmten Januarplenum des ZK der KPdSU ist das nun anders. Trotz Millionenauflage ist die Zeitung häufig vergriffen. Vor allem dann, wenn, wie letzten Samstag, eine Rede des großen Reformers Gorbatschow ins Zentralorgan gerückt wird. Daß sich das offizielle Organ mit solchen Inhalten schwer tut, ist nicht neu. Neu jedoch ist die Dialektik von glasnost und Reformverweigerung, wie sie sich im ND präsentiert. Milch–glasnost eben. Ausgerechnet über den Stern z.B. beantwortete SED–Politbüromitglied Kurt Hager die Frage, ob „Perestroika“, Umgestaltung also, nach sowjetischem Vorbild auch in der DDR folgen werde, mit einem klaren Nein. Und das ND druckte das Interview nicht nur vollständig nach, es verlängerte die Stern–Druckfassung um für die DDR unangenehme Passagen, wie die über größere Toleranz gegenüber DDR–Dichtern, die im Westen ohne Genehmigung veröffentlichen. Ob mit dem ND–Nachdruck des Stern–Interviews die eigenen Journalisten ermuntert werden sollten, e AUTOR_________: Max Thomas Mehr
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