Mietenaktivist über Bauziele der Ampel: „Luxusneubau hilft uns nicht“

Matthias Weinzierl von der bundesweiten Kampagne Mietenstopp kritisiert die Bauziele der Ampelkoalition. Der soziale Wohnungsbau bleibe auf der Strecke.

Baustelle vor dem Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz

Bauboom in Berlin, aber zu wenige Neubauten sind Sozialwohnungen Foto: Dirk Sattler/imago

taz: Herr Weinzierl, 400.000 Wohnungen will die Ampelkoalition pro Jahr bauen. Reicht das, um die vor allem in Großstädten akute Wohnungsnot in den Griff zu bekommen?

Matthias Weinzierl: Auf gar keinen Fall! Hilfreich sind dabei natürlich nur Wohnungen in einem bestimmten Segment. Man muss ganz genau hinschauen, was für Wohnungen entstehen. Luxusneubau hilft uns kein bisschen.

Die Sozialraumquote der Ampelkoalition liegt bei 25 Prozent, jährlich sollen also 100.000 Sozialwohnungen entstehen. Ist das genug?

Nein, und wenn man genau hinschaut, sieht man auch, dass schon die Zahl 100.000 nicht stimmig ist. Dabei handelt es sich nämlich nicht um „echte“ Sozialwohnungen. Da werden zum Beispiel auch geförderte Eigentumswohnungen mitgezählt. Zudem fallen jährlich mehr geförderte Wohnungen aus den Sozialbindungen als neue gebundene Wohnungen gebaut werden. So ist unterm Strich nichts gewonnen. Gleichzeitig steigen die Baukosten ins Unermessliche, vor allem aufgrund der hohen Bodenpreise, was sich wiederum unmittelbar auf die Mieten auswirkt.

49, ist angestellt beim DGB und Koordinator sowie Sprecher der bundesweiten Mietenstopp-Kampagne.

SPD und Grüne sprachen vor den Wahlen davon, regionale Mietregulierungen in angespannten Wohnungsmärkten zu ermöglichen. Kann man schon jetzt sagen: Aus dem Wahlversprechen ist nichts geworden?

Grüne und SPD sind der FDP in diesen Fragen weit entgegengekommen. Die Zugeständnisse finden auf den Rücken von Mietern statt. Die SPD sprach im Wahlkampf von einem Mietenmoratorium, die Grünen haben ähnliche Forderungen aufgestellt. Geblieben ist davon nichts, außer der Erklärung, 400.000 Wohnungen bauen zu wollen, die Mietpreisbremse zu verlängern und die Kappungsgrenze in angespannten Märkten von 15 Prozent auf 11 zu senken. Das reicht bei Weitem nicht, um sich dem großen gesellschaftlichen Problem entgegenzustellen, vor dem wir stehen: Viele Menschen können sich Wohnraum nicht mehr leisten. Schon jetzt findet in den größeren Städten eine dramatische Verdrängung statt. Viele gehen in Rente und können sich ihre Wohnung plötzlich nicht mehr leisten. Kinder, die ausziehen, können nicht in ihrer Heimatstadt studieren, weil es einfach zu teuer ist. Darauf muss man doch schnell reagieren.

Wie?

Neben einem Mietenstopp fordern wir unter anderem neue Wohnungsgemeinnützigkeit, ein neues soziales Bodenrecht, höhere Bauquoten im sozialen Segment, neues kommunales Vorkaufsrecht, strengere Regeln für Eigenbedarf und faire energetische Gebäudesanierungen.

Mitten im Wahlkampf kippte vergangenes Jahr nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts plötzlich das kommunale Vorkaufsrecht, ein wichtiges Instrument gegen Verdrängung in einigen Städten. Verschiedene Länder stießen sofort Bundesratsinitiativen an, eine schnelle Reform wurde versprochen. Nun will die FDP-Vorsitzende im Bauausschuss, Sandra Weeser, zunächst doch länger prüfen lassen. Wie soll die Ampelkoalition das Wohnraumproblem lösen, wenn sie nicht einmal das leicht zu reformierende Vorkaufsrecht repariert?

Uns ist völlig unverständlich, warum sich die Ampel an diesem Punkt so viel Zeit lässt. Selbst Politiker aus der Union aus betroffenen Städten betonen die Wichtigkeit dieses Instruments. In München wollte die Stadt in einer Reihe von Fällen das Vorkaufsrecht wahrnehmen. Die sind alle wegen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts gescheitert. Kommunen haben in Wohnraumfragen ohnehin wenig Gelegenheit einzugreifen – ohne dieses Werkzeug sind sie bei Verdrängung zum Zuschauen verdammt.

Gibt es auch etwas, mit dem Sie zufrieden sind bei der Ampel?

Was unser Thema betrifft, lautet die Antwort – leider nein. Die Maßnahmen greifen einfach zu kurz.

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