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STANDBILDMieses Öko-MTV

■ "Letzte Ausfahrt Rio", Do. 20.15 Uhr, ARD

Vielleicht, ja vielleicht sollten die öffentlich-rechtlichen Fernsehbosse doch mal Werbefilmer zur Fortbildung einladen. Thema: Wie gestalte ich einen Videoclip, und was steckt hinter dem Konzept der Collage. Die „Letzte Ausfahrt Rio“, gedacht als informativer und moderner Weltspiegel der globalen ökologischen Krise, gehört jedenfalls in die Rubrik gutgemeintes Fernsehdesaster. Und allem Anschein nach lag es nicht an der mangelnden Kenntnis der Materie sondern am Handwerk.

Die Autoren Ekkehard Launer und Nicola von Hollander trauten ihren Bildern nicht, zeigten Filmschnipsel von zu allem entschlossenen Migranten am drei Meter hohen Zaun, der mexikanisch-kalifornischen Grenze, ließen das Bild nicht stehen, sondern schnitten gleich — ausgewogen sozusagen — russische Soldaten dran, die RumänInnen an der Westwanderung hindern. Anhalten, denke ich, warum bleibt der Film nicht am Ort, der Kanalwechsel ist doch mein Recht, das Recht des Zuschauers. Doch mit ständigen Szenenwechseln rührten Launer und Hollander weiter am Potpourri der internationalen Katastrophe.

Nichts wurde durchdekliniert. Gute Idee verpufften. Sportlich raste ein neues Ford-Modell durch unberührte Hügellandschaft, die Musik aus dem Werbeclip beschwor den „Final Countdown“. Dann Schnipsel, von Fernsehfeatures abgezwackt, ohne Rhythmus. Aus dem Off die Stimme von Hajo Friedrichs: Die Zahl der Autos habe sich seit der ersten UN-Umweltkonferenz 1972 verdoppelt. Stinkende, giftige Altautos (wohl ohne Kat) in Peru. In Nikaragua funktioniere nicht einmal mehr der Ersatzteilhandel. Ich soll wohl Schlimmes ahnen für die Atemluft dort. Ist doch alles viel besser bei uns: Und außerdem — so kolportiert das Off — hängen ein Sechstel aller deutschen Arbeitsplätze am Auto.

Selbst in China träumen die Menschen vom Auto. Zu Ehren der alten Dame wird bei ihrer Beerdigung ein fast lebensgroßes Jeepmodell aus Papier verbrannt. Noch fahre in China nur eine(r) von tausend ein Auto, statt dessen gebe es 300 Millionen Fahrräder. Wenn die ChinesInnen auf das Auto umstiegen — eine Katastrophe. Letzte Ausfahrt, jede(r) hat das Recht auf Mobilität: Wir behalten das Recht auf Vierräder, die Chinesen haben ein Recht auf Fahrräder — oder was?

Gelungen einzig der düstere Clip vom Elternpaar, das seine beiden Kinder mitten in der Nacht aus dem Bett holt, die aufgeschreckten Kinder auf den Rücksitz des schrottreifen Familien-Mercedes verfrachtet und durch eine Alptraumstadt von Not und Müll, durch dampfende Fabrikgelände, vorbei an Gasmaskenträgern und unter sterbenden Bäumen durch auf die Müllkippe fährt — und dort aussetzt. Irgendwie wartete ich auf das Logo: Greenpeace. Hermann-Josef Tenhagen

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