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Miesepeter und Manipulatoren

■ GO !BANG!, ein Festival, das zu verpassen sich auch nicht lohnte

Liebe Gudrun,

die Du im Krankenhaus das GO !BANG!-Festival bei Klöckner verpaßt hast — Du hast Dir auch einigen Ärger erspart. Ging schon mal so los: Ein miesepetriger Busfahrer hielt im eigens eingerichteten Pendelverkehr nicht am Klöckner-Eingang, sondern gut zwei Kilometer entfernt. So rächt sich das kleine Arschloch für's entgangene Grillvergnügen auf Parzelle. Nube hat selbst für Lilith sechsundvierzig Mark Eintritt zahlen müssen, wo es doch Zehnjährige mit Zahnspange sowieso nicht leicht haben.

Die Security-Onkels hatten für ihren Kontrolljob extra ihre mutmaßliche Lieblingsbeschäftigung aufgegeben, Grabplatten von der Autobahnbrücke zu donnern — richtige Herzchen dabei.

Was das Catering betrifft: angenehme Duschtemperatur hatte das Bier von Anfang an, soll ja gut für den Magen sein. Das Kebap stank nach Kerosin, die Soft- Drinks waren ab frühen Nachmittag vergriffen und dennoch großer Andrang bei den Buden: im hermetisch abgeschlossenen Gelände hatte marktwirtschaftliche Konkurrenz keine Chance — und wer sich neue Batterien für den Herzschrittmacher aus dem Auto holen wollte, mußte sich flugs ein neues Ticket kaufen. Der einzige Haschischhändler am Platze war ein sattsam bekannter Lakritz-Manipulator, ich habe ihn Martin Thomas getauft.

Jingo De Lunch und Concrete Blonde störten mit dem schlichtgestrickten Wohlklang ihrer Lieder nur wenig und sorgten mit hippiemäßigen Sängerinnen für Love & Peace & Harmony. Fury in the Slaughterhouse aus Hannover gaben den menschenfreundlich-kumpeligen Part der ehrlichen Rocks mit dem Appell, heimische Bands durch regen Besuch zu unterstützen. Warum auch nicht?! Zum Hauptereignis wurde überraschend die von Trendbewußten längst als Combo der Stunde gehandelte kalifornische Formation Pearl Jam. Das ziemlich schwülstige Organ ihres Sängers Eddie Vedder animierte die Mutigen, jesusgleich auf dem Meer verzückter Arme durch die Publikumswellen zu hüpfen. Passiert ist dabei nix , und da sieht man, daß auch die himmlischen Heerscharen im Klang-Bombast der amerikanischen Westküste ihr Plätzchen haben. Warum Mr. Eddie zwischendurch immer „Hello Germany“ schrie, wirft Fragen auf, deren Beantwortung für Krankenhauspatienten vermutlich nicht so aktuell ist...

Bad Religion war natürlich jenseits aller Kritik: Die kunstlose Ruppigkeit dieser schmutzigen, kleinen Punklieder wird zwar von Ignoranten als „immer gleich“ bemosert, aber was macht das dem Ohr, dessen Nerv just dadurch getroffen wird. Greg Gaffin soll angeblich Lehrer sein — für diese ungebügelte Stimme sei ihm sogar das verziehen. Und selbst der Breikoch als Mixer schafft es nicht, der einfachen Struktur dieser Songs ihren Charme zu nehmen.

Ärgerlich aalglatt der Auftritt von Sister of Mercy. Und wenn Düstermann Andrew Eldritch sich tausendmal vom Gothic-Quatsch distanziert: Wer so effekthaschend auf die Nebelmaschinen-Mätzchen & Co. setzt, muß sich den ausgetretenen Schuh schon anziehen lassen.

So. Jetzt weißt Du, was Du versäumt hast, werd also schnell wieder gesund. Und beschließe noch heute, ein Rockstar zu werden. urdrü

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