Miese Stimmung und schrumpfendes BIP: Wirtschaft auf Talfahrt
Die aktuellen Daten zeichnen ein düsteres Bild: Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal geschrumpft, die Stimmung bei Verbrauchern und Unternehmen so schlecht wie lange nicht mehr.
WIESBADEN/NÜRNBERG/MÜNCHEN ap/dpa Es sieht nicht gut aus für die deutsche Wirtschaft. Erstmals seit knapp vier Jahren ist die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal 2008 geschrumpft. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im Vergleich zum Vorquartal um 0,5 Prozent, teilte das Statististische Bundesamt am Dienstag mit. Für die nächsten Monate ist eine positive Entwicklung eher unwahrscheinlich. Denn auch die Stimmung bei Verbrauchern und bei Unternehmen ist auf Talfahrt.
Besonders stark gingen im zweiten Quartal die Bauinvestitionen zurück. Sie wiesen ein Minus von 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal auf. Allerdings waren die Bauinvestitionen im ersten Quartal aufgrund des milden Wetters besonders kräftig mit 5,7 Prozent gewachsen.
Negativ wirkten sich im zweiten Quartal auch die privaten Konsumausgaben aus. Sie sanken im Vergleich zum Vorquartal um 0,7 Prozent.
Wachstumsimpulse brachte hingegen der Außenhandel. Die Importe sanken mit Minus 1,3 Prozent deutlich stärker als die Exporte mit Minus 0,2 Prozent. Damit trug der Exportüberschuss 0,4 Prozentpunkte zum Wachstum bei.
Im Vergleich zum Vorjahresquartal stieg das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2008 um 3,1 Prozent. Allerdings hatte das zweite Quartal dieses Jahres drei Arbeitstage mehr als der Vergleichszeitraum. Kalenderbereinigt betrug der Zuwachs noch 1,7 Prozent. Die gemessene Wirtschaftsleistung wurde von 40,2 Millionen Erwerbstätigen erbracht, das waren 1,4 Prozent mehr als im Vorjahresquartal.
Trübe Konjunkturaussichten und die Sorge vor steigenden Preisen haben die Stimmung der Verbraucher auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren gedrückt. Die Bürger beurteilten die weitere Wirtschaftsentwicklung erneut erheblich skeptischer als im Vormonat, wie der Nürnberger Marktforscher GfK in seiner aktuellen Konsumklimastudie ebenfalls am Dienstag mitteilte. Auch die Bereitschaft zu größeren Anschaffungen habe weiter nachgelassen. Nur bei ihrer persönlichen Einkommensentwicklung sähen die Menschen etwas positiver in die Zukunft.
Für September prognostizieren die GfK-Forscher einen weiteren Rückgang beim Konsumklimaindex auf 1,5 Punkte. Das wäre der schlechteste Wert seit Sommer 2003. Im August lag der Index bei revidiert 1,9 Punkten.
Zu den Ängsten vor einer Rezession trügen die gesunkenen Auftragseingänge und die Schlagzeilen über die Finanzmarktkrise bei. Entsprechend verschlechterte sich der Indikator der Konjunkturerwartung im Vergleich zum Vormonat deutlich um 13,8 auf minus 21,8 Punkte. Er liegt damit auf dem niedrigsten Wert seit Juli 2004. Vor einem Jahr hatte er noch plus 48,4 Punkte betragen.
Da die Inflation die nominalen Lohnzuwächse weitgehend aufzehre, sei auch die Kauflaune der Verbraucher schlecht, erklärte die GfK. Der Index, der Auskunft über die Neigung zu größeren Anschaffungen gibt, ging im Monatsvergleich nochmals leicht um 1,7 auf minus 27,9 Zähler zurück. Das ist der niedrigste Stand seit Mitte 2005.
Etwas besser als im Vormonat schätzen die Verbraucher dagegen ihre persönliche Einkommensentwicklung ein. Zwar würden die Bürger ihre Kaufkraft weiterhin pessimistisch betrachten. Da die Rohölpreise in den vergangenen Wochen aber nicht weiter gestiegen seien, habe sich die Situation etwas "entkrampft", erklärt GfK-Forscher Michael Schmude.
Entsprechend legte der Index leicht um 3,2 auf minus 16,8 Punkte zu. Im August 2007 lag er noch bei plus 9,2 Zählern. "Die zuletzt gemeldeten Entwicklungen bei den Erzeuger- und Großhandelspreisen lassen eine auf mittlere Sicht weiterhin hohe Inflationsrate erwarten", fasst die GfK-Studie zusammen. Angesichts dieser Entwicklung trete der nach wie vor robuste Arbeitsmarkt in der Wahrnehmung der Menschen in den Hintergrund.
Auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft stürzt weiter ab. Der ifo-Geschäftsklimaindex fiel im August zum dritten Mal in Folge von 97,5 auf 94,8 Punkte. "Die derzeitige Geschäftslage wird von den Unternehmen deutlich ungünstiger bewertet als im Vormonat", erklärte der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, am Dienstag. Die Firmen rechneten damit, dass sich die Situation im kommenden halben Jahr weiter eintrübe. "Die deutsche Wirtschaft gerät damit zunehmend in konjunkturell schwieriges Fahrwasser", sagte Sinn.
Der wichtigste deutsche Konjunkturindex fiel im August auf den schlechtesten Wert seit drei Jahren. Die 7.000 befragten Unternehmen bewerteten auch ihre Erwartungen für die kommenden sechs Monate erneut pessimistischer. Der entsprechende Teilindex sank auf 87 Punkte, das war der niedrigste Stand seit Januar 1993. Auch die aktuelle Geschäftslage wurde mit 103,2 Punkten zum wiederholten Mal schlechter bewertet.
Im verarbeitenden Gewerbe habe sich das Geschäftsklima weiter abgekühlt, erklärte Sinn. Bei den Neueinstellungen wollten sich die Firmen zurückhalten. Auch im Baugewerbe und im Einzelhandel ging der Trend nach unten. Nur im Großhandel verbesserte sich die Stimmung leicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!