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Archiv-Artikel

Microsoft im Parlament Schleunigst ausladen!

Na, was ist schon dabei. Ein Konzern erzählt, was er so alles Gutes tut, unsere Abgeordneten sind denkende, Propaganda-erfahrene Menschen, das Land kassiert ein paar tausend Euro Miete. Darf man gleich Arges dabei denken, wenn Microsoft ins Abgeordnetenhaus will, ganz nah an die VertreterInnen des Volkes? Man darf nicht nur, man muss.

KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE

Der Riesenkonzern hat es beim Aufbau seines Quasi-Monopols nie gescheut, neben Wettbewerbern auch die Politik brutal zu bedrängen. Nur mal zur Erinnerung: Anfang 2002 hat der Bundestag überlegt, seine Rechner auf das Betriebssystem Linux umzustellen. Microsoft hat massiv intrigiert, mit Erfolg.

Und diese Firma darf, statt eine Adlon-Etage zu mieten, in den Renommiersaal des Parlaments? Die Abgeordneten sollen nach der Plenardebatte bei Schnittchen gleich nebenan weiterdebattieren, nur eben mit PR-Profis? Die Entscheidung ist nicht nur eine politische Geschmacklosigkeit. Sie belegt vor allem, wie sehr sich das Demokratieverständnis einiger Politiker den Interessen der Konzerne unterordnet.

Selbstverständliche Grundsätze sind ihnen abhanden gekommen. Das Parlament ist der Ort, in dem sich gewählte VertreterInnen in freier Rede über das Wohl der Allgemeinheit streiten und – zugegeben: idealtypisch – nach Maßgabe ihres Gewissens entscheiden. Einen Lobbyisten dieser Größenordnung in ebenjene Sphäre vordringen zu lassen, ist ein fatales Signal.

Natürlich bekommen Parlamentarier täglich Einladungen von Firmen, Interessengruppen oder Initiativen auf den Tisch, natürlich versuchen diese Einfluss zu nehmen. Aber eben weil der Vermischung von Politik und Lobbyismus mehr und mehr zunimmt, ist es unerlässlich, Grenzen zu ziehen. Mit der Microsoft-Einladung ist eine Grenze klar überschritten. Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper sollte dem Konzern schleunigst absagen. Tut er das nicht, muss er sich fragen lassen, wie ernst er sein eigenes Haus noch nimmt.