: Michel darf nicht aufmucken
betr.: „Kippt die Stimmung an den Gleisen?“, taz vom 26. 10. 07
Sie vermitteln mit Ihrem Blatt einen sonderbaren Eindruck, denn Sie zitieren durchweg Stimmen, die den Streik negativ bewerten. Wenn ich mich frage, wie diese Leute zu ihren Äußerungen kommen, ergibt sich folgendes Bild: Bsirske, Kannegießer und Konsorten müssen sich persönlich bedroht fühlen, denn falls ein Arbeitskampf tatsächlich mal zu nennenswerten Ergebnissen führt, wird klar, dass diese Herren sich sehr bequem auf ihren Pöstchen eingerichtet haben, ihnen die Belange der abhängig Beschäftigten aber egal sind.
Herr Beck und andere bekennen sich mit ihrer Kritik offen zu ihrer eigentlichen, neoliberalen Gesinnung.
Ferner nennen Sie Ergebnisse von Umfragen. Leider lässt sich durch die Fragestellung das Ergebnis hervorragend beeinflussen, aber Aussagekraft oder gar Sinn solcher „Meinungsbilder“ stellen Sie gar nicht in Frage und reihen sich damit in die große Gehirnwäschemaschinerie ein. Letzten Endes geziemt es sich für den deutschen Michel eben nicht, Rückgrat zu zeigen und ernsthaft aufzumucken.
Dabei gibt es viele gute Gründe, aus denen das „Angebot“ der Bahnführung inakzeptabel ist: Warum sollte bei fahrendem Personal im Schichtdienst die Arbeitszeit verlängert werden? Als Bahnpendler fühle ich mich dadurch nicht unbedingt wohler. Warum das Realeinkommen wieder nur halbwegs an die Teuerungsrate angleichen? Für die ach so bejammerte Binnennachfrage wär’s anders besser. Und betrachten wir noch die jüngste Erhöhung der Bahnvorstandsbezüge: Womit ist die gerechtfertigt? Das Geld wäre da, Sie sollten tunlichst mal die Finger in die Wunde der Verteilungsgerechtigkeit legen. Sie sollten auch kritischen Stimmen zur Haltung der Bahnführung Gehör verschaffen. Last not least: Alle Marktfanatiker sollten sich freuen, dass der Preis der Dienstleistung „Lokführen“ im Spannungsfeld zwischen Angebot und Nachfrage verhandelt wird.
FRANCISCO HASSELBACH, Gießen