KOMMENTAR: Meyer – aussitzen
■ Bremer Senat übt sich in Kanzler-Kohl-Tugenden
Mit Verwunderung nehmen wir regelmäßig zur Kenntnis, wie ein neues Wort in unserem politischen Sprachgebrauch selbstverständlich wird. Bei „Aussitzen“ fehlt inzwischen schon das leichte Grinsen, das diese Vokabel anfangs hervorzauberte, und es ist auch nicht mehr zwingend, dabei an den Kanzler zu denken, auf den es nach dem bekannten Werbe-Slogan ankommt. Das Wort Aussitzen ist allgemeinverwendbar geworden, es hat unsere Wahrnehmung bereichert, es schärft unsere Sinne.
Daß eine Behörde erst einmal gründlich prüfen, Akten sichten, Beroffene vernehmen muß, hätte man früher für normal gehalten. Die Behörde kann dabei darauf spekulieren, daß das Interesse der Öffentlichkeit Woche für Woche versiegt – ein schöner kleiner Nebeneffekt. Aber nun haben wir ein Wort dafür: Aussitzen. Das, was die Bremer Landesregierung derzeit mit ihrem Innensenator vorführt, ist „Aussitzen“ in genau dem Sinne, in dem das Wort im Kanzlerwitz entstand. Der Untersuchungsausschuß, derheute eingerichtet wird, wäre überflüssig, wenn sich der Bremer Senat nicht auf Kanzler-Kohl Niveau begeben hätte.
Klaus Wolschner
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