: Metaller: Die Stimmung kippt in Richtung Kampf
■ Tarifauseinandersetzung in der Metallindustrie: Schwarzer Peter bei Arbeitgebern
“Gesamtmetall will ein anderes Tarifsystem. Die wollen eine andere Republik. Jetzt reicht es! Wir sind noch zu ruhig! Menschen, denen man so etwas bietet, müßten lauter sein!“ Frank Teichmüller, Boß der großen norddeutschen IG Metall, zog am Samstag im völlig überfüllten Curiohaus vor 1200 Metallern aus den fünf norddeutschen Ländern die verbale Kraftschraube deutlich an. Teichmüller, der auf den internen Treffen der deutschen IG-Metall-Spitze als einziger Bezirksleiter auf einen klaren Konfrontationskurs mit den Metallarbeitgebern gedrängt hatte, sieht sich durch den bisherigen Verhandlungsverlauf bestärkt. Arbeitszeitverlängerung, Flexibilisierung und massive Streichungen bei Lohnzusatzleistungen (Urlaubsgeld, Überstundenzulagen) und bestenfalls (!) eine Nullrunde bei den Löhnen – dieses Forderungspaket von Nordmetall sei derart unverhandelbar, daß man sich auf eine große und harte Auseinandersetzung vorbereiten müsse.
Auch der Frankfurter IGM-Vize Walter Riester, Vertreter einer „weichen Tour“, schwenkt inzwischen langsam um. In bester Western-Drehbuch-Manier verkündete er: „Wer den Kampf nicht will, muß sich auf ihn vorbereiten. Mit allen Konsequenzen. Jedes andere Signal würde falsch verstanden.“ Den Ernst der Lage hätten viele Gewerkschafter noch nicht ganz begriffen: „Wir müssen die Kollegen und manchen Funktionär noch wachrütteln. Wir brauchen jetzt tätige Unruhe.“
Kommt es zu einer regionalen Entscheidungsschlacht im Großkonflikt zwischen IG Metall und Gesamtmetall, so wird der Norden voraussichtlich nur am Rande betroffen sein. Gesamtmetall, so zeichnet sich ab, könnte Bayern im Visier haben. In der bevorstehenden Warnstreikwelle wird der Norden allerdings kräftig mitmischen. Und er bliebe nicht verschont, käme es am Ende wirklich zu großen Streiks und Aussperrungen.
Vieles deutet daraufhin, daß die Metallarbeitgeber die Stimmung im Lande falsch kalkuliert haben. Inzwischen driftet die Standortdebatte über das „Hochlohnland“ und den „Freizeitpark Deutschland“ in eine ganz andere Richtung. Die neuen Stichworte: „Nieten in Nadelstreifen“, Versagen der Bundesregierung, Ende der Ära Kohl. Die bislang so dezente öffentliche Strategie der IG Metall hat entscheidend dazu beigetragen, den schwarzen Peter zunehmend in Richtung Arbeitgeber und Bundesregierung zu schieben.
Gewerkschaften und SPD, durch den Rechtsruck der Sozialdemokraten zuletzt etwas auseinander, rücken wieder eng zusammen. Scharpings Strategie, Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ins Zentrum des Wahlkampfs zu stellen, wird so taträftig gestützt. Ein politischer Beobachter am Rande des Metaller-Meetings: „Vielleicht hat Gesamtmetall ja am Ende zwei Fliegen mit einer Klappe – Scharping als Bundeskanzler und die PDS im Bundestag.“
Florian Marten
Siehe auch Bericht im überregionalen Teil
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