piwik no script img

Messehalle VII: Vino Frizzante an Trillerpfeifen

■ Grundsteinlegung für neue Halle / IG Bau protestiert gegen Beschäftigungsverhältnisse

Trillerpfeifen und rote Stepp-westen hinterm Zaun, Trenchcoats und Regenschirme davor. Bei der Grundsteinlegung für die siebte Messe- und Veranstaltungshalle auf der Bürgerweide hielt sich die Sekt- und Schnittchenlaune in Grenzen. Eine Hand voll Gewerkschaftler demonstrierte erst hinterm, dann vor dem Bauzaun gegen die Beschäftigungsverhältnisse auf der 7.000-Quadratmeter-Baustelle. Bauherrin ist die Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft (HVG), deren Töchter Messe GmbH und Stadthalle das neue Gebäude nutzen werden.

„Billiglohn-Arbeiter“ aus der Türkei und aus Polen kämen dort zum Einsatz, so die zum Teil arbeitslosen Gewerkschaftler. Um nicht im „Deutsche-Baustellen-den-Deutschen“-Eck zu stehen, stand auf einem Transparent geschrieben: „Illegale Beschäftigung ist ausländerfeindlich“. Wolfgang Jägers von der IG Bauen-Agrar-Umwelt beklagte, dass eine Baustelle, die „ausschließlich aus der öffentlichen Hand bezahlt“ wird, von Arbeitern ausgeführt wird, die weit unter dem geltenden Tarif und womöglich sogar – so der Verdacht der Gewerkschaft – unter dem gesetzlich garantierten Mindestlohn von 18 Mark 87 bezahlt würden.

Laut Jägers sind die Arbeitslosen der Baubranche in Bremen seit 1997 nicht weniger geworden – dem Jahr, in dem dank des Sanierungsprogramms die ersten Großbaustellen eingerichtet wurden.

Nicht wenige der geladenen Gäste sympathisierten mit den Nichtgeladenen. Auch Abgeordnete der Koalitions-parteien teilten die Kritik. „Sicher kann man so eine Baustelle mit Subunterneh-men billiger organisieren, aber das ist eine Milchmädchenrech-nung. Schließlich soll das Sanierungspro-gramm hier in Bremen Steuer- und Beschäftigungs-effekte erzielen“, so Carsten Sieling. Der baupolitische Sprecher der SPD bedauert, dass Gesellschaften wie die HVG nicht an die Vereinbarungen gebunden sind, die bei der Vergabe durch die öffentliche Hand gelten. Aber das sei auch ein Grund, warum sie gegründet würden: „Da entsteht ein regelungsarmer Raum.“ Mit seiner Kollegin Klara Schreyer bekräftigt er, dass die Proteste nun zum Anlass genommen würden, um eine Debatte loszutreten. Ziel: Das Land Bremen soll die privaten Bauträger per Auflage zur Tariftreue verpflichten. Aber auch die CDU-Abgeordnete Schreyer räumt ein, dass das beim CDU-geführten Wirtschaftssressort „schwierig“ sei.

Wirtschaftssenator Josef Hattig kam zu spät und sprach daher nur kurz. Außer den Stundenlöhnen hatte er die meisten Zahlen parat: 40 Millionen soll der Bau kosten, 17 davon soll die HVG erwirtschaften, 150 Arbeitsplätze würden dort geschaffen – das habe ein Gutachten ergeben – und vier Bremer Baufirmen hätten sich die Aufträge für die Großbaustelle gesichert. Zu den Protesten der Demonstranten, die den Bremer Baufirmen vorwerfen, die Arbeit fast nur noch mit billigen Subfirmen zu erledigen, äußerte sich Hattig nicht. Zwei Poliere standen neben ihm. Sie grinsten, als Senator Hattig auf dem Betonfundament zum „Spatenstich“ anstatt zur Grundsteinlegung schreiten wollte. hey

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen