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Archiv-Artikel

Merkels Aufräumaktion

betr.: „Ein Ruckzuck geht durchs Land“, taz vom 23. 6. 05

Jürgen Busches Statement ist Provokation pur. Bleiben wir cool. Kernthese seines Textes ist: Die CDU regiert richtig, die SPD probiert falsch rum. Interessant. Was erzählt man sich denn sonst noch so Juxiges im Rotary Club? Mir scheint, dass allzu gern vergessen wird, dass Politik ein langfristiger Prozess ist. Bis es eine Idee zum Parteitagsbeschluss, durch Kabinett, Bundestag und -rat geschafft hat, bis sie dann tatsächlich umgesetzt und ihre Wirkung zeigt, dauert’s halt.

Weiterhin scheint in Vergessenheit zu geraten, dass dieses Land noch immer an den Folgen der 16 Jahre währenden Kohl-Zeit zu knapsen hat. In dieser Zeit stieg die Staatsverschuldung um 240 Prozent, die Arbeitslosigkeit um 60 Prozent. Die „bereinigten“ Staatsausgaben betrugen 1980 rund 380.000 Millionen Euro, 1998 waren’s schon 930.000 Millionen Euro (so das Statistische Bundesamt). Da hat sie aber ganze Arbeit geleistet, die „Mutter aller staatstragenden Parteien“! Ach, by the way: Während der rot-grünen Regierungszeit stiegen die Ausgaben „nur“ um 60.000 Millionen Euro. Aber die Sozen können ja nicht mit Geld umgehen.

Die CDU hatte in den 80er- und 90er-Jahren ausreichend Zeit für durchgreifende Reformen. Wo war sie, die große Rentenreform? Wo die große Steuerreform? Die Gesundheitsreform? Wo hat man innovative Wirtschaftszweige gefördert? (Der Solar- und Windenergie schreiben die Experten 150.000 bis 200.000 Arbeitsplätze zu.) Wo hat der Bund in den 80er- und 90er-Jahren die Initiative für eine umfassende Bildungsreform ergriffen? Wo wurde durch Förderung von mehr Kitas und Ganztagsbetreuung ein Grundstein für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt? Es waren doch angeblich goldene Zeiten! Was hat man mit dem Gold gemacht? Einen Großteil davon hat man im Osten verbuddelt. Oh ihr schönen, gähnend leeren Gewerbegebiete!

Nachdem die „Mutter aller staatstragenden Parteien“ einen riesigen Scherbenhaufenschuldenberg hinterlassen hat, versuchten die „rot-grünen“ Dienstmädchen aus dem bisschen Haushaltsgeld, das ihnen noch blieb, das Beste zu machen. Aber viel war halt nicht mehr drin in der Haushaltskasse. Auf Merkels Aufräumaktion freue ich mich sehr! Sie wird dafür sorgen, dass die Unternehmen den Faktor Arbeit zu Lasten der sie Leistenden billiger machen können.

Eines verstehe ich dabei nicht: Seit mindestens 15 Jahren wissen wir, dass die Binnennachfrage verantwortlich ist für unsere bescheidenen Wirtschaftsdaten. Wie erhöht man sie, wenn die Massen weniger Geld zur Verfügung haben, weil hauptsächlich bei ihnen abkassiert wird (Kopfpauschale, Mehrwertsteuer, Eigenheimzulage, Besteuerung von Wochenend- und Nachtzuschlägen, Pendlerpauschale)? Nun, da die „Dienstmädchen“ schon den gröbsten Dreck des dicken Dienstherrn beiseite geschafft haben, kann die Hausherrin wieder einziehen. Hoffentlich muss die Bude nicht abgerissen werden, wenn sie das nächste mal auszieht.

PAUL HOCHMANN, Haltern am See